18 Einige dieser von Christian II. für die sächsische Kunstkammer erworbenen Kostbarkeiten konnten von zeitgenössischen Gästen bewundert werden, so etwa vom Augsburger Patrizier und Kunstagenten Philipp Hainhofer, der die Dresdner Kunstkammer 1617 und 1629 besichtigte. Seine Reiseberichte ermöglichen einen Einblick in die historische Präsentation und den Inhalt der Sammlung. In seinem Reisebericht von 1617 werden auch Erze und Steinarbeiten erwähnt, darunter jenes von Rudolf II. geschenkte Steinbild, das Hainhofer als »tauole di remesso mit Landschaften und Sächsischen Wappen« bezeichnete, sowie die große Smaragdstufe, ein kaiserliches Präsent von 1581, und ein Schreibtisch aus Jaspis.11 In seinem etwas ausführlicheren Reisebericht von 1629 bezeichnete Hainhofer den sechsten Raum der Kunstkammer ausdrücklich als Mineralienkammer, in der Erzstufen, Minerale und Gesteine aus sächsischen Bergwerken ausgestellt waren.12 Außerdem vermerkte Hainhofer in der vierten Kammer eine Sammlung von Gefäßen und Tafelgeschirr aus Marmor, Alabaster, Serpentinit und anderen sächsischen Steinen – wahrscheinlich einige der Exemplare, die im ersten Kunstkammerinventar von 1587 aufgeführt sind.13 Wenige Jahre nach Hainhofers zweitem Besuch wurde die Kunstkammer unter Johann Georg I. in den Jahren 1633 und 1640 modernisiert, indem neue Werke aus dem Schatzdepot in die Kunstkammer gebracht und neue Vitrinen zu deren Präsentation aufgestellt wurden.14 Während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden nur wenige Änderungen vorgenommen, weiterhin diente die kurfürstliche Kunstkammer als Ort fürstlicher Repräsentation. Die sächsischen Schätze zogen jedes Jahr Hunderte von Gästen aus ganz Europa an.15 Erweiterung und Ausbau zum Schatzkammermuseum unter August dem Starken Erst zum Ende des 17. Jahrhunderts erlebten Kunst- und Schatzkammer grundlegende Änderungen durch Kurfürst Friedrich August I., genannt August der Starke. Wenige Jahre nach seinem unerwarteten Herrschaftsantritt 1694 gelang es dem Kurfürsten, seinen Status zu erhöhen. 1697 wurde er zum König von Polen und Litauen gewählt. Seine Ambitionen und sein Wunsch, sich als europäischer Monarch darzustellen, manifestieren sich in seinen Kunstsammlungen und -aufträgen. Wie seine Vorgänger August und Christian II. zeigte August der Starke ein besonders großes Interesse an der Erweiterung der fürstlichen Sammlungen. Unter ihm entwickelte sich die Schatzkammer zu einer eindrucksvollen öffentlichen Inszenierung seiner fürstlichen Macht. Während Augusts fast 40-jähriger Regierungszeit wurde Dresden zu einem der führenden europäischen Kunstzentren des 18. Jahrhunderts. Eng verbunden mit den Kunstsammlungen Augusts des Starken sind die Werke des Goldschmieds Johann Melchior Dinglinger, der 1698 zum Hofjuwelier ernannt wurde. Dinglinger, der bis zu seinem Tod 1731 am sächsischen Hof wirkte, schuf für den Kurfürst-König eine Reihe bedeutender Werke, darunter das Goldene Kaffeezeug (1701), den Thron des Großmoguls Aureng-Zeb (1701–1708) und den Obeliscus Augustalis (1719–1722), die den prunkvollen Stil des »Augusteischen Barock« prägten. Charakteristisch dafür ist die Verwendung einer Vielzahl von Materialien, zum Beispiel Silber und Gold, Elfenbein, Email sowie Juwelen und Kameen, die höchste Kunstfertigkeit demonstrierten. Eine prominente Rolle spielten auch Prunkschalen, die oft unter Wiederverwendung älterer geschliffener Steingefäße entstanden und mit aufwendigen Montierungen aus Edelsteinen und Email versehen wurden (Abb. 4). Mit zunehmender Vergrößerung seiner Sammlung beschloss August 1722, diese neu zu ordnen und in ein öffentlich zugängliches Schatzkammermuseum zu überführen. Im Mittelpunkt der Präsentation standen die Hauptwerke Dinglingers, darunter der neu erworbene Obeliscus Augustalis, der nicht nur als imposanter Raumschmuck, sondern auch als kraftvolle Herrschaftsdarstellung Augusts diente. An dem Obelisken sind zahlreiche in- und ausländische Schmucksteine verarbeitet worden. Gleichzeitig mit dem Obelisken erwarb der Kurfürst ein Kabinettstück mit einer antiken Kamee von Kaiser Claudius, einige Prunkgefäße sowie eine Sammlung von geschliffenen Steinschalen aus Sardonyx, Granat, Jaspis, Chalcedon und anderen kostbaren Schmucksteinen.16 Der Ausbau des Grünen Gewölbes unter August dem Starken erfolgte in zwei Phasen: von 1723 bis 1724 und von 1727 bis 1729. Die ab 1723 erfolgten Veränderungen im Grünen Gewölbe und die Neuordnung der Schätze und Kunstwerke Abb. 4 Prunkschale mit der Zauberin Medea Johann Melchior Dinglinger (Goldschmied), Steinschnitt: Mailand, um 1590, Fassung: Dresden, kurz vor 1709, Jaspis, Gold, Email, Diamanten, H. 29,8 cm, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. VI 93
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