Leseprobe

55 Der Name des Goldschmieds und Geheimen Kämmerers Heinrich Taddel (1715–1794) ist heute nur noch wenigen Fachleuten und Interessierten bekannt. Dabei war er mehr als 45 Jahre lang bis zu seinem Tod im Auftrag des Dresdner Hofes mit der Betreuung des damals schon weithin bekannten Grünen Gewölbes betraut.1 Im Vorfeld seiner spätestens 1748 erfolgten Aufnahme in den Hofdienst muss es Taddel zudem in kurzer Zeit gelungen sein, durch seine Tätigkeit eine geachtete Position unter den zahlreichen in Dresden ansässigen Goldschmieden einzunehmen. So wird er bereits 1743 anlässlich eines Hauskaufs im Häuserbuch der Stadt als »Hof-Galanterie-Arbeiter« bezeichnet, also als anerkannter sächsischer Hoflieferant.2 Umso erstaunlicher ist es, dass über sein Schaffen und seine Werke bisher kaum gesicherte Mitteilungen vorliegen. Heinrich Taddel blieb bis heute stets im Schatten des von ihm protegierten, eine Generation jüngeren Juweliers und Goldschmieds Johann Christian Neuber, obwohl er in der Hierarchie bei Hof als Geheimer Kämmerer und später auch als Inspektor des Grünen Gewölbes weit höher stand als jener erst seit 1785 dort angestellte Hofjuwelier.3 Entgegen der immer wieder kolportierten Behauptung war Neuber nicht mit der Tochter von Taddel verheiratet, war also nicht sein Schwiegersohn. Auch hatte Neuber seine Lehre in Dresden von 1752 bis 1758 nicht bei Taddel, sondern bei dem aus Stockholm stammenden Goldschmied Johann Friedrich Trechtaon absolviert. Nach seinen Wanderjahren erhielt Neuber 1762 die Bürgerrechte in Dresden, wurde Mitglied der Gold- und Silberschmiedeinnung und 1767 erstmals als Hofgalanteriearbeiter genannt.4 UL F KEMPE , MART I N WAGNER Heinrich Taddel Goldschmied, Freimaurer, Geheimer Kämmerer und Inspektor des Grünen Gewölbes Inzwischen wissen wir, dass Neuber offensichtlich über längere Zeit, spätestens seit 1773, wahrscheinlich aber schon seit den 1760er-Jahren, in der Werkstatt von Taddel angestellt war.5 Taddel übernahm 1791 sogar eine Hypothek auf Neubers Haus, in dem sich damals auch dessen Werkstatt befand. Der Tod von Heinrich Taddel im Jahr 1794 besiegelte den endgültigen finanziellen Bankrott von Neuber im Folgejahr, nachdem der beruflich eigentlich erfolgreiche und weit über Dresden hinaus bekannte Goldschmied und Hofjuwelier bereits vorher in größere finanzielle Schwierigkeiten geraten war.6 Ein erster biografischer Bericht über Heinrich Taddel wurde 2012 in der bisher umfassendsten Monografie über Johann Christian Neuber publiziert.7 In dem darin enthaltenen Katalog sind insgesamt 224 damals bekannte Objekte aufgelistet, die entweder von Neuber selbst signiert oder ihm zugeschrieben worden sind. Meistens handelt es sich dabei um Golddosen mit unterschiedlichem Hartsteinbesatz, aber auch um andere, stilistisch ähnlich gestaltete Galanteriewaren wie Uhrenketten, Knöpfe und Stockknäufe sowie um zwei große Tafelaufsätze, zwei Prunktische und einen Kamin. Im Gegensatz dazu wird in jener Publikation jedoch kein einziges gesichertes Werk von Heinrich Taddel genannt –mit Ausnahme des Steinkabinetts im Grünen Gewölbe, das allerdings irrtümlich als eine »mit 214 kleinen polierten Tafeln besetzte Box« beschrieben ist.8

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