Leseprobe

95 Selbst bei der längeren Betrachtung von herausragenden Steinschnittobjekten in den Vitrinen der Museen wird meist nicht klar, wie schwierig es ist, größere attraktive und bearbeitbare Rohsteine in den Brüchen oder Bergwerken zu gewinnen. Bei den hier im Mittelpunkt stehenden Hartsteinen sind besonders die häufigen Rissbildungen ein Problem.2 Wie in anderen Zentren der Steinschneidekunst in Europa wurden deshalb auch in Dresden gute Funde sorgfältig aufbewahrt und sparsam eingesetzt.3 Über große Vorräte von vorrangig aus sächsischen Fundorten stammenden Schmucksteinen verfügte der Goldschmied Johann Christian Neuber, wie der überlieferte Versteigerungskatalog seiner Werkstatt von 1795 belegt.4 Aus diesem ist zudem ersichtlich, dass sich Neuber selbst nicht mit den notwendigen Steinschnittarbeiten beschäftigte, die stets von externen qualifizierten Steinschneidern ausgeführt wurden. Er selbst hatte sich auf Goldschmiedearbeiten zur Fertigung von Galanteriewaren unter Verwendung von Hartsteinen spezialisiert. Sein Rohmaterial stammte unter anderem aus dem sporadischen Abbau in zwei Brüchen bei Schlottwitz und Chemnitz-Altendorf, für den er jeweils mehrjährige Konzessionen besaß.5 Wie im Weiteren gezeigt werden soll, ist ein nicht unbedeutender Teil bearbeitbarer Steine jedoch auch auf anderen Wegen in seine Hände gelangt, so zum Beispiel über seinen Mentor, den Goldschmied und Geheimen Kämmerer Heinrich Taddel.6 Im Rahmen der Erforschung des Steinkabinetts von Heinrich Taddel wurden auch die Steinkabinetttische aus dem Schloss Mosigkau bei Dessau eingehender untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse erlauben eine Zuschreibung dieser Möbelstücke an die Werkstatt des Dresdner Hofjuweliers Johann Christian Neuber (siehe S. 229–233). Bei der Betrachtung der auf den Tischplatten präsentierten herausnehmbaren Gesteinstafeln fiel auf, dass sie in der Regel als Paare aus einem Rohstück geschnitten worden sind. Die Tafeln bilden meist spiegelbildliche, direkte Gegenstücke von einer Schnittebene oder Parallelschnitte, wie an dem Beispiel zweier Paare aus Schlottwitzer Trümmerachat demonstriert werden kann (Abb. 1). In ganz ähnlicher Weise sind die nahezu quadratischen Tafeln aus sogenanntem Silberachat von Johanngeorgenstadt im Erzgebirge gefertigt worden, die sich in verschiedenen Teilen der Mineralogischen Sammlungen der TU Bergakademie Freiberg erhalten haben (Abb. 2). Nach der Überlieferung waren sie für einen Konsoltisch gedacht, der wohl ebenfalls Neuber zuzuordnen ist (siehe S. 127–131). Diese beiden Beispiele belegen, dass es bei einer charakteristischen Musterung der Schmucksteine durchaus möglich ist, im Nachhinein zu bestimmen, welche bearbeiteten Hartsteine zu demselben Ausgangsstück gehören.1 UL F KEMPE , ANDREAS MASSANEK , KLAUS THALHE IM, MI CHAE L WAGNER Gegenstücke Durch den Steinschnitt getrennt – nach Jahrhunderten wiedervereint

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