Leseprobe

174 Abb. 5 »Tigerstein« (oben) und Pechstein (Mitte und unten) in einer Steinkabinettdose, Johann Christian Neuber, Dresden, Ende 18. Jahrhundert, Grünes Gewölbe, SKD, Inv.-Nr. V 628 In dem erhaltenen kleinen Katalog ist der »Tigerstein« (No: 60) als ein »Agate de Misnie« (Achat von Meißen) verzeichnet. Die Pechsteine (No: 34 und 73) werden gleichfalls als »Agate de Misnie« bezeichnet. Neuber ist vor allem für seine zahlreichen goldenen Tabatieren und andere Dosen mit Steineinlegearbeiten bekannt geworden (siehe S. 28–31). Von ihm sind allein über 50 sogenannte Steinkabinettdosen überliefert, manche davon auch noch mit dem in einem besonderen Fach beigelegten Verzeichnis, in dem alle eingesetzten Schmucksteine und deren Herkunft entsprechend den auf den Goldstegen der Fassungen eingravierten Nummern verzeichnet sind.7 Zwölf derartige Dosen mit erhaltenen Verzeichnissen konnten bisher genauer untersucht werden. In zehn von ihnen ist auch ein Stück des hier betrachteten gelb-bräunlichen Schmucksteins verwendet worden (Abb. 5). In den Originalverzeichnissen von Neuber werden diese meistens als »Tigerstein von Meissen«, dreimal auch als »Achat von Meissen« bezeichnet. In einem Fall ist als Fundort das nahegelegene Siebeneichen angegeben. Geländearbeiten belegen, dass der »Tigerstein« tatsächlich südlich des ehemaligen Ritterguts Korbitz, an der Ochsendrehe und nahe der sogenannten Schwedenschanze auf dem Questenberg bei Meißen vorkommt (Abb. 6). Geologisch gesehen besteht das Gebirge im Untergrund hier wie im weiteren Verlauf des Triebischtals nach Süden aus etwa 300 Millionen Jahre alten Vulkaniten. Unter diesen befindet sich mit dem sogenannten Pechstein eine besonders bemerkenswerte geologische Bildung. Der Pechstein ist ein über den langen Zeitraum von vielen Millionen Jahren weitestgehend erhalten gebliebenes natürliches vulkanisches Glas. Die ursprüngliche heiße Lava, aus welcher der Pechstein bei der raschen Abkühlung in der Nähe der Erdoberfläche entstanden ist, drang dabei in ältere Vulkanite ein, bei denen es sich meist um Quarzporphyre oder, wie am Questenberg, um lagige Quarzporphyrtuffe handelt.8 Das vulkanische Glas wurde bis in das letzte Drittel des vergangenen Jahrhunderts auch technisch genutzt und zur Herstellung von Flaschenglas in mehreren kleineren Steinbrüchen abgebaut. Störend bei dieser Verwendung war das Auftreten von bis zu metergroßen, gerundeten Einschlüssen im Pechstein, die sich nicht zusammen mit dem vulkanischen Glas aufschmelzen ließen. Im Lauf der Zeit hat sich für diese Bildungen der Begriff »wilde Eier« eingebürgert. Der »Tigerstein« von

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