Leseprobe

203 Im Zuge des Forschungsprojekts Goldschmiedekunst des 16. bis 18. Jahrhunderts am Dresdner Hof als Mittel der höfischen Repräsentation wurden in einem Teilprojekt historische Farbfassungen an zahlreichen Goldschmiedewerken der Spätrenaissance und des Barock in der Sammlung des Grünen Gewölbes eingehend untersucht.1 Dabei bot sich die Gelegenheit, auch die Elfenbeinstatuette des Moses auf dem Berg Sinai etwas näher zu betrachten. Die sehr detailliert geschnitzte Skulptur, die dem Bildhauer Paul Egell zugeschrieben wird, stellt den gehörnten bärtigen Moses in langem Gewand dar. Dem Pretioseninventar von 1725 ist zu entnehmen, dass er in seiner rechten Hand ursprünglich »ein lang vergoldt Stäbgen« hielt, das vermutlich bis zu seinen Füßen führte. In seiner heute fehlenden Linken waren »Zwey Gesez Tafeln roth emaillirt«.2 Aufgrund der lebendig anmutenden, leicht zur Seite geneigten Körperhaltung scheint es, als würde sich Moses an einen einst vorhandenen Gegenstand, etwa einen Baumstamm lehnen. Unterstrichen wird diese Vermutung durch einen locker auf einem Besatz aus Glasfluss abgestellten Fuß. Der »grüne Berg«3 Sinai, wo Moses nach biblischer Tradition von Gott die zehn Gebote empfing, ist mit seinen steilen Felswänden relativ schmal und hoch gearbeitet. Er ist in Silber gegossen, ziseliert, feuervergoldet und zusätzlich farbig gefasst. Zunächst vermutlich flächig angelegt, sind heute partiell Fehlstellen in der Farbfassung zu verzeichnen, dennoch ist die Gestaltung gut nachvollziehbar: Die grün-opake Fläche zeichnet sich durch eine Akzentuierung mit einer feinen, mit braunen Linien differenzierten Goldmalerei in Form von Blumen, Ranken und Gräsern aus.4 Einige der floralen Elemente sind zusätzlich auf demmetallischen Untergrund ziseliert. Außerdem dekorieren 30 mehrheitlich farbige, transparente Steinbesätze5 unterschiedlicher Größe sowie teils unregelmäßiger Form die sehr plastisch ausgeführte felsige Erhebung. Für die Montage dieser Besätze verwendete Johann Heinrich Köhler Kastenfassungen6. Sie sitzen mitunter auf sehr markanten Erhöhungen und wurden hier in Aussparungen geklebt bzw. gekittet. Weitestgehend alle Steine sind mit einer silberfarbenen Folie hinterlegt, die ihre Leuchtkraft deutlich verstärkt.7 Bei den größeren Steinen handelt es sich vermutlich überwiegend um Glasfluss8. Hierfür sprechen ein feines Oberflächenkrakelee, das an Glaskorrosion erinnert, sowie leichte Fluoreszenzen von Hellrot, -gelb, Orange und Grünlich-Gelb. Zudem finden sich partiell kleine Bläschen im Inneren einzelner Steine. Bemerkenswert sind die drei einzigen opaleszierend und rötlich-bläulich changierenden Glasflüsse, da sie nicht durchscheinend sind. Überdies sind drei der 4 Moses auf dem Berge Sinai Elfenbeinfigur: Paul Egell (zugeschrieben) Sockelplatte aus Korallenachat: wohl Böttger-Schleifmühle, Dresden, zwischen 1713 und 1715 Goldschmiedearbeit: Johann Heinrich Köhler, Dresden 1717/18 Elfenbein, Silber, zum Teil vergoldet, Messing, Farbfassung, farbiges Glas, Korallenachat, Edelsteinbesatz | H. 18,1 cm (mit Sockel) | Grünes Gewölbe, SKD | Inv.-Nr. VI 222

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1