Leseprobe

204 kleineren farblosen Steine möglicherweise Minerale: sie besitzen einen höheren Glanz, nur wenige Einschlüsse und fluoreszieren nicht. Bei Betrachtung unter dem Stereomikroskop9 hat ihre Oberfläche an manchen Stellen große Ähnlichkeit zu Kristallwachstumsflächen.10 Insgesamt scheinen die Steinbesätze gezielt nach farblichen Gesichtspunkten angeordnet und gruppiert, um die natürliche Kolorierung des Postaments aus rot-weiß gebändertem Korallenachat aufzunehmen. Ebenfalls sehr plastisch, jedoch weitaus prunkvoller gestaltete Köhler den Berg des Altarkruzifixes, das er mit seinem Tod 1736 an seine Taufgemeinde St. Stephan in Bad Langensalza stiftete.11 Zwar erscheinen die Fertigung und Gestaltung beider Oberflächen zunächst eng verwandt, da der felsartige Charakter ebenso mittels Punzierungen und polierten Partien sowie einer Farbfassung, zahlreichen farbigen, relativ großen Steinbesätzen und zusätzlich emaillierten Blüten sehr aufwendig gestaltet wurde. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich allerdings signifikante Unterschiede: Zum einen wurde der deutlich größere Berg Golgatha am Altarkreuz als elaborierte Treibarbeit gefertigt und seine Kastenfassungen sind für ihre Montage auf der Berginnenseite eingebunden.12 Zum anderen ist zwar auch er mit einer opak-grünen Farbfassung sowie floralen Elementen versehen, jedoch offenbar unter bewusster Einbeziehung freigelassener Partien. Außerdem wurden die Pflanzen mit verschiedenen naturgetreuen Farben deutlich differenzierter dargestellt als bei der monochromen Goldmalerei auf dem Berg Sinai. Eine ergänzte Gewindestange aus Messing gewährleistet eine sichere und verdeckte Montage von Berg und Sockelplatte des Moses. Als unterer Rand dient eine separat gefertigte silberne Smaragdkarmoisierung, die auf ein ansonsten ebenfalls verdecktes Messingblech gelötet ist. Auf diese Weise bildet die Karmoisierung den Übergang zur Sockelplatte aus Korallenachat, wovon üblicherweise nur der äußere Bereich sichtbar ist. Das Halsbacher Achatvorkommen nahe Freiberg wurde ab Ende des 17. Jahrhunderts von dem Naturforscher Ehrenfried Walther von Tschirnhaus als Schmucksteinvorkommen erschlossen. Es erhielt seinen Namen aufgrund der ähnlichen Farbe und an Korallenstöcke erinnernden Form der Aggregate. Tschirnhaus gründete 1697 in Dresden eine Schleif- und Poliermühle, deren Leitung 1708 Johann Friedrich Böttger bis zu seinem Tod 1719 übernahm.13 In einem Bericht schrieb Tschirnhaus über das auch als »rother Kies« bezeichnete Material: »[. . .] Dieser Bruch ist von großer Weite, und lieffert große Stücke, ist aber Wenigen bekannt, wie Er zu brechen, daß nicht großer Schade geschiehet, undt die schönsten Stücke verlohren gehen.«14 Welche Dimensionen diese als »groß« bezeichneten Segmente tatsächlich hatten, bleibt nur zu schätzen. Zumindest wird deutlich, dass ihre Förderung ohne Beschädigung herausfordernd war. Nach heutiger Einschätzung ist ein solch großes Exemplar wie am Moses auf dem Berge Sinai eher seltener. MW i Provenienz Pretioseninventar 1725, fol. 91 r –91 v Literatur Sponsel 1921, S. 212; Ausst.-Kat. Wien 1988, Nr. 84; Kappel/Weinhold 2007, S. 220; Kappel 2017, S. 255 f., Nr. II. 63 (mit weiterführender Literatur); Weinhold/Witting 2018, S. 150 (Anhang 3); Ausst.-Kat. Dresden 2019, S. 148– 149, Nr. 23 1 Weinhold/Witting 2018. 2 Pretioseninventar 1725, fol. 91 r –91 v. 3 Pretioseninventar 1725, fol. 91 r –91 v. 4 Willert/Herm/Hoblyn/Richter 2018, S. 48, 50. Untersuchungen an zwei Querschliffen ergaben die Verwendung eines Kupfergrünpigments, das in diesem Fall nicht näher bestimmt wurde. Vgl. Hoblyn/Herm/Richter/ Hempel/Fuhrmann 2018, S. 162. 5 Eine naturwissenschaftliche Untersuchung der Besätze erfolgte nicht. Die Beschreibungen wurden nach Augenschein vorgenommen und stützen sich auf visuelle Kriterien. 6 Zargenfassung mit geschlossenem Boden. 7 Da bei Kastenfassungen weder ein seitlicher Lichteinfall noch eine Beleuchtung von unten möglich sind, werden auf diese Weise gefasste transparente Steine üblicherweise mit dünnen, teils polierten und gefärbten Metallfolien etwa aus Silber, Zinn oder Kupfer hinterlegt. So werden sowohl das Reflexionsvermögen erhöht bzw. die Farbwirkung beeinflusst, als auch die Innenseite der Kastenfassung kaschiert. 8 Zur Entstehungszeit des Objekts verstand man unter Glasflüssen im Regelfall Edelsteinimitationen aus gezielt eingefärbten Silikat- und Bleisilikatgläsern. Ihre höchst anspruchsvolle Herstellung zielte auf eine größtmögliche Übereinstimmung mit den stofflichen Eigenschaften der Edelsteine ab. Die bewusste Platzierung neben diesen verdeutlicht ihren hohen Wert, was sich an zahlreichen zeitgenössischen Objekten widerspiegelt. 9 Wild M3Z Heerbrugg Switzerland, 6-40x, Mikroskopkamera: Leica DFC 420. 10 Mdl. Mitteilung Dr. Ulf Kempe. 11 Vgl. Ausst.-Kat. Dresden 2019, S. 154– 155, Nr. 25 (Susanne Thürigen); Willert 2019, S. 157– 165. 12 Sogenannte »eingebundene Kastenfassungen«. 13 Quellmalz/Karpinski 1990, S. 12. 14 Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 1328/01, Die inländischen Marmor- und Edelsteinbrüche 1619– 1714, Bericht vom 5. Juli 1708, fol. 1 c – 1 d, hier 1 c.

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