Leseprobe

207 Die ungewöhnliche Trichterform der Tabatiere ist sicher auf die natürliche Gestalt des besonders großen und ebenmäßig gefärbten Jaspis zurückzuführen, die bestmöglich ausgenutzt wurde. Das eingeschnittene Bandelwerk im Stil Jean Bérains erlaubt eine Datierung der Dose ins frühe 18. Jahrhundert, als August der Starke gezielt die Edelsteinvorkommen seines Kurfürstentums auskundschaften ließ. Ganz im Sinne des Merkantilismus suchte er nach bislang ungenutzten Bodenschätzen, um sie zu einzigartigen Kunstwerken verarbeiten zu lassen und zugleich die Einfuhr teurer Rohstoffe zu vermeiden. 1710 erteilte er dem Leiter der Meissener Porzellan-Manufaktur Johann Friedrich Böttger den Auftrag, eine Schleif- und Poliermühle einzurichten, die 1713 ihren Betrieb aufnahm. Unter den ersten Arbeitsproben für den König waren auch mehrere geschliffene und polierte Platten und Deckel aus sächsischen Halbedelsteinen, die zu Tabakdosen montiert werden konnten. Um das Potenzial der modernsten Produktionsstätte ihrer Art vor Augen zu führen, übersandte Böttger zudem vollendete Schalen und Dosen, darunter auch Tabatieren aus rotem Jaspis, die allerdings von Steinschneidern manuell ausgeführt worden waren. Für die geplanten Maschinen zum Drehen und Facettieren von Gefäßkörpern fehlten die Mittel. Schon 1715 wurde die Fabrik in eine Spiegelschleiferei umgewandelt. Während Arbeiten aus sächsischem Jaspis eine Rarität blieben, erfreute sich August der Starke umso mehr an seinem einzigartigen »Jaspisporzellan«. Noch vor der sensationellen Nacherfindung des weißen Porzellans entdeckten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und Böttger die Rezeptur des »roten Porzellans« – eines besonders harten und dichten Feinsteinzeugs, das wie ein Edelstein poliert, geschliffen und mit eingeschnittenen Ornamenten verziert werden konnte. Dafür wurden spezielle sächsische Erden bei hohen Temperaturen in ein neuartiges Material verwandelt, das alle Eigenschaften eines natürlichen Steins besaß. Die Ähnlichkeit des »Jaspisporzellans« mit der tiefrotbraunen Färbung und dem starken Glanz des Jaspis ist so groß, dass diese Dose 1928 als eine Meissener Böttgersteinzeugarbeit erworben und über viele Jahrzehnte als solche angesehen wurde. Erst die jüngsten Untersuchungen identifizierten das Material als sächsischen Jaspis aus Altenberg (siehe S. 154). J W Provenienz erworben 1928 Literatur Menzhausen 1982, S. 211 –218; Beaucamp-Markowsky 1985, S.25, Nr. 1; Boltz 2000, S. 95; Tardy 2000, S. 328; Dresden 2009, S. 146, Nr. 7 5 Tabatiere aus Jaspis Sachsen, um 1700– 1720 | Silbermontierung um 1806/07 in Krakau zu Steuerzwecken repunziert | Sächsischer Jaspis aus Altenberg, Silber | 4,8×6,7×4,7 cm | Porzellansammlung, SKD | Inv.-Nr. PE 833

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1