Leseprobe

15 Wer durch die einstigen königlich-kurfürstlichen Sammlungen im Grünen Gewölbe geht, wird mit Hunderten von Werken verschiedener Stile und Materialien konfrontiert, mit Gold und Silber oft in Kombination mit Nautilusgehäusen, Elfenbein, Straußeneiern, Bergkristall, Juwelen und einer großen Vielfalt von Schmucksteinen aus Sachsen und der ganzen Welt. Die Präsenz dieser Steine, insbesondere der sächsischen, hat eine lange Geschichte, die mit der Genese des Grünen Gewölbes eng zusammenhängt. Sachsen, speziell das Erzgebirge, gilt seit jeher als wichtige Bergbauregion, die nicht nur Silber, Zinn, Kobalt, Zink, Blei und andere Metalle, sondern auch Schmucksteine wie Jaspis, Amethyst, Korallenachat und Serpentinit hervorgebracht hat. Diese Steine wurden zu Gefäßen wie etwa Prunkschalen, Tafelaufsätzen, Verzierungen auf Möbeln und anderen kostbaren Kunstgegenständen verarbeitet. Über mehrere Generationen hinweg bauten die jeweiligen Landesherren ihre Sammlungen aus und nutzten Kunstwerke ebenso wie Naturwunder zur Darstellung ihrer persönlichen und politischen Interessen. Dabei kam den sächsischen Bodenschätzen und Gesteinen eine zentrale Bedeutung zur Inszenierung von Reichtum, Macht und Schönheit des eigenen Landes zu. MEGHAN MCNAMEE Steinschnittobjekte im Grünen Gewölbe Kunst und Naturschätze als Repräsentationsmittel der sächsischen Kurfürsten Die Anfänge der kurfürstlichen Sammlungen im 16. und 17. Jahrhundert Die Grundlage für die kurfürstliche Schatzkammer wurde Mitte des 16. Jahrhunderts von Moritz, dem ersten Kurfürsten der albertinischen Wettiner, gelegt. Bereits in den Inventaren der Silberkammer von 1543 und 1546 – noch bevor Moritz zum Kurfürsten ernannt wurde – sind Pokale und Becher aus Jaspis sowie Bergkristall verzeichnet.1 Nach Moritz’ Tod setzte sein Bruder und Nachfolger August die Erweiterung der Sammlungen fort und formte den Nukleus dessen, was später zur Kunstkammer und zum Grünen Gewölbe werden sollte. Seine politischen Verbindungen nach Italien prägten sowohl seine Politik als auch seine Sammlungen und die Hofkultur, wie die Präsenz italienischer Künstler, allen voran des umtriebigen Giovanni Maria Nosseni, zeigt. Nosseni wurde 1575 nach Dresden berufen und erhielt eine Sondergenehmigung des Kurfürsten, in den sächsischen Bergwerken nach Marmor und anderen Steinen, darunter Alabaster und Serpentinit, zu suchen, um sie für seine Werke zu verwenden.2

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