Leseprobe

44 Kriegszeit Kurz bevor der Zweite Weltkrieg am 1. September 1939 ausbrach, unternahm Hans Nadler zusammen mit seinem Zwillingsbruder und zwei ehemaligen Pfadfinderfreunden im August 1939 eine Skandinavienreise. Dazu trafen sich die Fahrtteilnehmer am 29. Juli 1939 in Berlin, um über Stettin mit der Fähre nach Helsinki zu reisen.158 Ausgerüstet mit Zelten, kamen sie am 31. Juli 1939 in Helsinki an und fuhren über Lathi und Rovaniemi mit der Eisenbahn und dem Motorboot bis nach Kirkenes im Norden Norwegens. Von dort erreichten sie am 8. August 1939 das Nordkap.159 Dass Hans Nadler nur wenige Jahre später im Krieg eine ähnliche Marschroute einschlagen würde, konnte er zu dieser Zeit nicht wissen.160 So kam bei allen Beteiligten während der ausgelassenen Reise durch die unwirkliche Tundralandschaft Lapplands kein Gedanke an einen leidvollen Krieg auf. Unbeschwert setzten die Fahrtenfreunde ihre Reise, trotz der verschlechterten weltpolitischen Lage, über Narwik mit einem Postschiff nach Oslo fort. Schließlich kam die Gruppe um Hans und Fritz Nadler über Stockholm und Malmö am 23. August 1939 wieder in Berlin an.161 Hier sollten sich die Wege der Brüder für immer trennen. Da Fritz Nadler unmittelbar darauf zur Wehrmacht eingezogen wurde, hatten beide keine Gelegenheit mehr, sich während eines Fronturlaubs zu sehen.162 Fritz Nadler fiel am 10. Oktober 1942 im Alter von nur 32 Jahren bei den Kämpfen um Stalingrad.163 Nach dem frühen Tod der Mutter traf dieser Verlust Hans Nadler ganz besonders. Seit frühester Kindheit entwickelten beide eine besondere Beziehung zueinander. Sie nutzten trotz der unterschiedlichen Dienstorte in Rodewisch und Leverkusen jede freie Gelegenheit, wie in frühester Jugend und bei den Dresdener Pfadfindern, Zeit miteinander zu verbringen. Den Verlust des geliebten Bruders konnte Hans Nadler bis zu seinem Lebensende nicht vollständig überwinden.164 Dieser Verlust führte im Denken Nadlers aber auch dazu, den Krieg spätestens ab diesem Zeitpunkt nur noch als qualvolle Pflichterfüllung anzusehen. Dass er vor dem Tod des Bruders nicht ganz frei von jeder Kriegsbegeisterung war, insbesondere nach den vielen militärischen Siegen

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