46 nicht sein, da hätten wir doch längst was gemerkt. In Deutschland wurde gesagt, das sei die ›Greuelpresse‹, da werde nur gehetzt, ohne zu ahnen, wie bitter die Wahrheit doch war, dass es tatsächlich acht Tage später losging.«168 Wie sehr Hans Nadler von der deutschen Propaganda geblendet wurde, wird hier sehr deutlich, genauso aber auch seine spätere Ablehnung des Krieges. Mit Kriegsbeginn erwartete Nadler täglich eine Einberufung zur Wehrmacht. Grundsätzlich galt seit der Wiedereinführung des Wehrdienstes 1935, dass sogenannte »Halb- und Vierteljuden« Wehrdienst leisten mussten, jedoch nicht ohne ausdrückliche Genehmigung Hitlers zu Offizieren befördert werden durften.169 Dennoch gelang es vielen Soldaten, diese Einschränkung mit Vertuschung ihrer Abstammung zu umgehen. Da Nadler als Offiziersanwärter im April 1940 zur Wehrmacht einberufen wurde, traf dies wohl auch auf ihn zu.170 Stark zu vermuten ist, dass bei seiner Einberufung nicht gezielt auf seine Abstammung geachtete wurde oder Nadler auf bereits bestehende Mitgliedschaften, wie z. B. in der NSDAP, verwies, die ohne Ariernachweis eigentlich nicht möglich gewesen wären. Als ausgebildeter Architekt wurde er zum Pionier-Ersatz-Bataillon 24 nach Riesa eingezogen, wo er seine militärische Grundausbildung zum Pionier absolvierte.171 Die Soldaten erhielten in Riesa bzw. auf dem Truppenübungsplatz in Zeithain eine Ausbildung u. a. im Anlegen sowie Beseitigen von Draht- und Minensperren, im Bau von Behelfsbrücken, im Anlegen von Grabensystemen sowie im Ausbau von Straßensystemen. Die hier ausgebildeten Pioniere sollten neben dem bautechnischen Einsatz im Hinterland auch an vorderster Front zur Räumung von umkämpften Abschnitten eingesetzt werden. Nadler erwartete somit kein Einsatz fernab umkämpfter Gebiete; er musste sich im Gegenteil mit der Ausbildung unweigerlich auf eine Verwendung im unmittelbaren Kampfgeschehen vorbereiten. Nach der Ausbildung in Riesa wurde Nadler am 6. September 1940 zur 2. Kompanie des Pionier-Bataillons 88 an die französische Atlantikküste versetzt. Dieses unterstand der 46. Infanterie-Division und hatte hier den Auftrag, nach der Besetzung Frankreichs etwaige alliierte Landungen zu verhindern.172 Hier kam Nadler mit Kameraden in Kontakt, die während des Polen- und Frankreich-Feldzugs erste harte Kampferfahrungen sammeln mussten. Da jedoch weder die Briten noch die freie französische Armee unter General de Gaulle unmittelbar nach der französischen Niederlage an eine Landung denken konnten, gestaltete sich der Einsatz an der Atlantikküste für Hans Nadler friedlich. So konnte er in dieser Zeit auch die Annehmlichkeiten genießen, die die französische Provinz zu bieten hatte.173 Der Einsatz in Frankreich währte für ihn jedoch nicht lange. Bereits am 20. November 1940 erhielt Nadler den Versetzungsbefehl zum Pionier-Bataillon der 99. leichten Infanterie-Division nach Würz-
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