Leseprobe

76 lich bedeutenden politischen Momentes der Bodenreform und der kulturellen Belange stattgefunden hat.«280 Dies zeigt deutlich, unter welchem Druck die Vertreter der Denkmalpflege standen. Während der Bodenreform und insbesondere während der Durchführung des SMAD-Befehls Nr. 209 gerieten diese erstmals in einen ideologischen Konflikt mit den SED-Verantwortlichen, die bereits zu diesem Zeitpunkt alle wesentlichen Schlüsselpositionen im Land Sachsen besetzten. Der Konflikt um die Gutsabbrüche verdeutlicht zudem den Bedeutungsverlust der Denkmalpflege, die besonders in ideologisch aufgeladenen Zeiten zu schmerzlichen Kompromissen bereit sein musste. Dabei wurde offensichtlich, dass die sächsischen Denkmalpfleger und insbesondere Hans Nadler kaum eine Chance besaßen, die Abbrüche aus kulturhistorischen Gründen zu verhindern, sondern rein praktische Anlässe vorbringen mussten, um bedrohte Schlösser oder Herrenhäuser zu erhalten. Beispielsweise schlug das sächsische Landesamt für Denkmalpflege im Mai 1948 für 22 Anlagen eine veränderte Nutzung, z. B. als Schule, FDJ-Schulungsstätte, Krankenhaus usw. vor, die zu einer Erhaltung dieser Anlagen führen sollte.281 Ein Schema, welches sich bis zum Ende der SED-Herrschaft für die Denkmalpflege laufend wiederholen sollte. Insgesamt fielen gemäß Heinrich Magirius bis Anfang der 1950er Jahre zwischen 180 und 200 sächsische Schlösser und Herrenhäuser den Abbruchmaßnahmen zum Opfer (Teilabbrüche nicht mitgezählt).282 Darunter befanden sich auch zahlreiche kunsthistorische wertvolle Objekte, wie z. B. in Tiefenau, Döben, Guteborn oder Niederrödern. Dass am Ende nur ein Bruchteil aller Gutsanlagen abgerissen wurde, lag wohl hauptsächlich daran, dass oftmals das Abbruchmaterial nicht für den Neubau von Bauernhäusern verwendet werden konnte und vor allem lokale Verantwortliche eine veränderte praktische Nutzung der Gebäude einem Abriss vorzogen. Dennoch ging ein großer Teil kulturhistorisch wertvoller Anlagen im Zuge der Umsetzung des SMAD-Befehls Nr. 209 in Sachsen verloren. Da Walter Bachmann nur noch wenige Reisen durchführte und die Bodenkommissionen selten mit der Denkmalpflege kooperierten, oblag es Hans Nadler als einzigem wissenschaftlichem Mitarbeiter im Landesamt in dieser Zeit, die gefährdeten Objekte vor Ort zu betreuen. Dazu reiste er nahezu täglich durch ganz Sachsen, um sich ein Bild über den Zustand der Schlösser und Herrenhäuser zu machen. Wie schwierig diese Aufgabe in der Nachkriegszeit war, zeigte ein Erlebnisbericht über eine Dienstreise Nadlers vom 18. bis 21. November 1947, der an dieser Stelle nahezu komplett wiedergegeben werden soll: »Anlass der Fahrt: Donnerstag, den 20. 11. 1947 sollen vormittags auf dem Kreisratsamt zu Annaberg Fragen, die den geplanten Abbruch von Gutsanlagen im Kreis Annaberg betreffen, erörtert werden. Insbesondere gilt es, den baukünstlerischen Wert der einzelnen Gebäude­

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