77 gruppen festzulegen. Da die Besatzungsmacht auf einen beschleunigten Arbeitsbeginn drängt, ist der Termin unaufschiebbar. Mittwoch ist Feiertag. Züge verkehren an diesem Tag nicht. Folglich muß man bereits am Dienstagabend losfahren. Allerdings bedarf man dann noch eines Fahrrades, mit dem man Mittwoch von Zwickau bis Annaberg, das sind etwa 70 km, fahren muß, um rechtzeitig zur Besprechung zu kommen. An dem Wege über Schneeberg-Schwarzenberg liegen jedoch eine Reihe Bauvorhaben, die durch unsere Dienststelle zu überwachen sind und bei dieser Gelegenheit geprüft werden sollen, so daß auch diese Fahrt genützt werden kann […] Am Dienstag-Nachmittag drängt man sich in den übervollen Schnellzug nach Plauen. Man kann sich nicht Zeit nehmen, sich Stunden zuvor in den bereitstehenden D-Zug zu setzen. So steht man zunächst einige Stunden auf einem Bein, eingekeilt zwischen Koffer und Kasten, bis in Chemnitz etwas Luft wird. Wir haben nur 1 ½ Stunden Verspätung, das telegrafisch bestellte Zimmer in Zwickau ist diesmal noch frei. Das schon wiederholt geübte Nächtigen auf dem Bahnhof bleibt erspart. Für 50 gr. Nährmittelmarken (Tageszuteilung 35 gr.) bekommt man einen kleinen Teller wässriger Suppe. Am anderen Morgen geben eine Tasse Tee und 2 trockene Scheiben Brot gegen Marken Kraft zur Arbeit. Das erste Ziel ist Griesbach. Da am Bußtag keine Züge fahren, setzt man sich aufs Fahrrad und bei drei Grad Kälte und eisigem Bergwind tritt man mühsam gegen den Berg an. Es sind nur 20 km bis Griesbach. Aber einige hundert Meter Steigung und der kalte Gegenwind erschweren das Vorankommen, zumal ich nur mit ›halber Kraft‹ fahren kann, nachdem man mir im vergangenen Jahre, ebenfalls auf einer Dienstfahrt, noch einen durchaus kriegsgerechten Bauchschuß verpasste und damit u. a. das rechte Bein teilweise lähmte. So geht es nur langsam voran. Die Straße wird eisig, etwas Schnee fällt. Gegen 10 Uhr erreiche ich Griesbach, klettere auf den Dachboden der Kirche, suche Reste alter Plastiken zusammen, stelle mit Bedauern eine völlig mißglückte Ausmalung des Kirchenraumes fest, die ohne unser Wissen, entgegen der Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes, durchgeführt wurde. Ich überprüfe die Möglichkeiten, mit wenig Mitteln Besserung zu schaffen, skizziere mit steifen Fingern ein wenig, dann noch 2 Fotoaufnahmen und weiter geht es nach Schneeberg. Die Hauptstraße ist gesperrt. Man benötigt zur Hinreise in das Bergbaugebiet einen Stempel der Kommandantur. Das erfordert aber wieder einige Stunden Aufenthalt. So wähle ich den Weg durch Felder und Schrebergärten ›hintenherum‹. Gegen Mittag komme ich reichlich abgekämpft zu unserem Vertrauensarchitekten nach Schneeberg. Die örtlichen Baufragen werden durchgesprochen. Materialbeschaffung, Arbeitskräfte, Dringlichkeit der Bauvorhaben sollen am Nachmittag noch einmal mit dem Bürgermeister besprochen werden. Gegen 1 Uhr versuche ich nun endlich auf meine Reisemarken Essen zu bekommen.
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