221 20 Jahren gepachtet hatte, zu verkaufen. Er befürchtete nicht zu Unrecht, dass »der großartige Gesamteindruck des alten Weinberges« dadurch »arg geschädigt« würde.847 Im Jahr 1994 konnte er aber zunächst kurze Zeit aufatmen. In diesem Jahr kaufte die Stadt Dresden mit Geldern der Deutschen Stiftung Denkmalschutz etwa 7 000 Quadratmeter. Nadler selbst träumte davon, das Grundstück zu einer öffentlich zugänglichen Gedenkstätte für den ehemaligen Besitzer, den Goldschmied Johann Melchior Dinglinger, zu entwickeln.848 Ebenso erhoffte er sich dadurch selbstverständlich auch, ein weiteres Wohnrecht für ihn und seine Familie auf dem ihm längst zur Heimat gewordenen Grundstück in der Schevenstraße zu behalten. Die Familie Nadler schmerzte verständlicherweise sehr, dass sie nunmehr den Verkaufsinteressen der Erbengemeinschaft ausgeliefert war. Dies war umso schmerzvoller, da Hans Nadler mit seiner Familie für die nicht vor Ort lebenden Erben das Grundstück über die lange DDR-Zeit mit den damaligen bescheidenen Mitteln aufopferungsvoll erhalten hatte. Paradoxerweise wäre wohl ohne die Familie Nadler ein Verkauf für die Erben deutlich unattraktiver und weniger gewinnversprechend gewesen. Zwar sicherte man ihm immer, auch wissend um seine Verdienste, ein lebenslanges Wohnrecht zu, doch seine während der DDR-Zeit gefühlte Position als Hausherr auf dem Weinberg war durch einen Verkauf deutlich gefährdet. Nachdem Nadlers Tochter seit der Wiedervereinigung gelegentlich interessierte Kaufwillige über das Grundstück führen musste, stellte sich am 27. November 1995 der Notar Christoph Hollenders bei der Familie Nadler/Rudat vor. Hollenders kam ursprünglich aus Werne an der Lippe und siedelte direkt im Anschluss an die Wiedervereinigung nach Dresden über. Bei Wanderungen verliebte er sich, nach eigenen Aussagen, in das Grundstück in der Schevenstraße und nahm Kontakt zu der Erbengemeinschaft auf, um es zu erwerben. Das erste direkte Zusammentreffen zwischen Hollenders und den Mietern verlief jedoch für beide Seiten ungünstig. Während Hollenders die ihm wohl entgegenschlagende Skepsis als potenzieller neuer Eigentümer sofort wahrnahm, gelang es ihm wiederum wohl nicht, die sensible Gemütslage der Familie Nadler/Rudat diplomatisch aufzunehmen und die Ängste der Mieter abzubauen. Laut einem Artikel in der Zeitschrift Die Zeit trennte man sich bereits nach diesem ersten Gespräch im Streit.849 Das Zusammentreffen war der Anfang einer bis dahin in Dresden nicht gekannten Auseinandersetzung um ein Privatgrundstück, welche mit allen juristischen Mitteln und zudem öffentlich in den Medien breit ausgetragen wurde. Nur wenige Tage nach dem Treffen schrieb Angela Pfotenhauer, Chefredakteurin der Zeitschrift »Monumente«, dem Dresdener Oberbürgermeister Herbert Wagner und schilderte ihm den Vorgang um das Dinglinger-Haus aus ihrer und wohl auch Hans Nadlers Sicht.850
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