10 Kindheit in Gröden »Hans hingegen schien froh zu sein, daß man ihm durch einige Mühe das Leben erhalten hatte«, schrieb Hans Nadlers Mutter kurz nach seiner Geburt am 1. Juli 1910 in ihr Tagebuch.6 Im Gegensatz zu seinem kurz vorher geborenen Zwillingsbruder Fritz, dessen Geburt unkompliziert verlief, brauchte Hans Nadler viel Hilfe und Glück, um überhaupt ins Leben starten zu dürfen. Wäre seine Mutter Elfriede Nadler zur Geburt der Zwillinge nicht von ihrem Wohnort in Gröden in ihr Dresdener Elternhaus am Striesener Platz zurückgekehrt, wäre seine Geburt wohl nicht so glimpflich verlaufen. Die beiden Geschwister Fritz und Hans Nadler kamen am 1. Juli 1910 als zweites und drittes Kind des Kunstmalers Hans Nadler (1879–1958) und seiner Ehefrau Elfriede Nadler geb. Weise (1884–1936) zur Welt. Bereits drei Jahre zuvor wurde ihre Schwester Käte Nadler geboren. Elfriede Nadler entstammte einer wohlhabenden Familie. Vom Erbe ihres Ehemanns ließ sich Nadlers Großmutter Anna Katharina Weise im Jahr 1889 ein komfortables Wohnhaus am Striesener Platz errichten, welches sie mit ihren beiden alleinstehenden Kindern Kurt und Victoria Weise bis zur Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 bewohnte. Nadlers Großvater, der österreichische Oberstabsarzt Heinrich Weise, verstarb bereits kurz nach der Geburt von Elfriede Weise im Jahr 1884.7 Trotz der jüdischen Abstammung von Heinrich Weise wurde seine Tochter evangelisch getauft. Dass sich später im »Dritten Reich« einmal ein Nachteil aus dem jüdischen Glauben des längst verstorbenen Großvaters für die Kinder von Elfriede Weise ergeben würde, war im Jahr der Geburt von Hans Nadler keineswegs absehbar. Das Ehepaar Nadler ließ die beiden Kinder Hans und Fritz ganz selbstverständlich am 7. August 1910 kurz nach ihrer Geburt in der Dresdener Johanneskirche evangelisch taufen. Ob den Zwillingen die jüdische Abstammung des Großvaters vor 1933 überhaupt bewusst war, ist stark zu bezweifeln. So spielte der jüdische Glauben im täglichen Leben von Hans Nadler zu keinem Zeitpunkt eine Rolle.
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