12 Das Dorf Gröden wurde daraufhin zur künstlerischen Heimat des Malers Hans Nadler senior. Wie viele andere Künstler in dieser Zeit zog es den Kunstmaler zur Motivsuche aufs Land. Seine Inspiration fand er unweit seines Geburtsortes Elsterwerda in Gröden, wo er 1906 etwas abseits vom Dorfkern ein Stück Land erwarb, auf dem er ein selbstentworfenes Landhaus mit Atelier errichten ließ. Im weltverlorenen Gröden mit seiner wasserdurchdrungenen Flussniederung im Norden und waldbedeckten Hügellandschaft im Süden fing Hans Nadler senior weitab von der Großstadt die landschaftlichen Reize, aber auch die Traditionen der hier lebenden Menschen in seiner Kunst ein. Dennoch verlor der Künstler nie den Kontakt zur Dresdener Kunstszene. In der sächsischen Landeshauptstadt engagierte er sich viele Jahre in der Dresdener Künstlervereinigung und im Akademischen Rat. Er wurde kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, wahrscheinlich als letzter Hochschullehrer, vom sächsischen König zum Professor berufen. Trotz seiner neuen Heimat in Gröden traf er sich regelmäßig am »Stammtisch« mit anderen Dresdener Kunstschaffenden wie Otto Gussmann und Paul Rößler.12 Durch diese hervorragenden Kontakte innerhalb der sächsischen Kunstszene gelang es ihm auch, mehrere öffentliche Kunstaufträge zu erhalten. Das eindrucksvollste heute noch erhaltene Werk von Hans Nadler befindet sich am nordöstlichen Kopf der Augustusbrücke. Hier entstand 1936/37 ein monumentales Sgraffito mit etwa 500 Porzellankacheln, auf denen der Aufbau der Stadt dargestellt wurde.13 Obwohl die Zwillinge ihre ersten Kindheitsjahre im abgelegenen Gröden verbrachten, wurde der spätere Denkmalpfleger Hans Nadler zusammen mit seinem Bruder Fritz sowie mit seiner älteren Schwester Käte in eine in Dresden und der näheren Umgebung hochangesehene und bestens vernetzte Künstlerfamilie hineingeboren. Für den späteren Werdegang von Hans Nadler war dies eine der wichtigsten Voraussetzungen. Nicht nur die guten Kontakte des Vaters in die sächsische Kunstszene waren von Vorteil; auch das frühe Kennenlernen der Arbeitsweise eines Künstlers sollte für seine späteren Aufgaben von enormer Wichtigkeit sein. Bereits in frühester Kindheit standen er und seine Geschwister Modell für den Vater, wie zahlreiche Bilder aus dieser Zeit beweisen. Abseits der Großstadt lernten die Kinder des Künstlers bei vielen Wanderungen durch die Schradenlandschaft, beim Baden am Sandstrand des Grödener Alten Schachtes oder beim winterlichen Rodeln auf den kleinen Grödener Hügeln auch das von ihrem Vater immer wieder in seinen Bildern eingefangene Gefühl der Naturverbundenheit schätzen. Nadler wurde nicht als Großstadtkind geboren. Er erschloss sich seine Lebenswelt nicht durch theoretische Überlegungen am Schreibtisch. Geprägt durch seine freie, naturverbundene Grödener Kindheit reiste er später als Denkmalpfleger so oft wie möglich zu den Orten des Geschehens.
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