Leseprobe

Über die Sorgen eines Gärtners 79 Gartengestaltung und ihren Wunsch nach einem neuen Gärtner als Ersatz für den betagten Christoph George Meerkatz (Merkatz) äußerte.25 Während sich der mit der Planung und Ausführung beauftragte Architekt bzw. Gartenkünstler weiterhin nicht abschließend bestimmen lässt,26 belegt die Korrespondenz zwischen Maria Anna Franziska von Brühl und dem Sächsisch Geheimen Kammerrat Carl Heinrich von Heineken den Prozess der Gestaltungsfindung. Die Gräfin nahm an den verschiedenen, zeitgleich laufenden Bauprojekten ihres Mannes, und insbesondere an der Gartenplanung, stets regen Anteil, was Briefstellen detailliert dokumentieren.27 Ausgeführte Gartenarbeiten lassen sich anhand der vorhandenen Quellen ab 1751 nachvollziehen.28 Die Rechnungsbücher zum Jahr 1753 listen den Ankauf von Linden »zu den neuen Linden Plaz«, Ausgaben in Höhe von 97 Talern »vor Bluhmen Zwiebel« aus Holland, weiterhin 27 Taler »dem Gärtner Bock29 in Leipzig, vor gelieferte CastanienBäume« und weitere 50 Taler »vor erkauffte Birn und LindenBäume«.30 Linden im Gesamtwert von 111 Talern 12 Groschen wurden »von Genanndstein, nach Nischwiz geholet«.31 Eine 1753 erstellte Flurkarte32 legt nahe, dass der Garten zu dieser Zeit in großen Zügen fertiggestellt war (vgl. Abb. 2). Vereinzelte Arbeiten lassen sich anhand der Rechnungsbücher noch bis 1756 nachweisen, darunter im Jahr 1754 die Fertigstellung der Kaskade durch Hofbildhauer Johann Gottfried Knöffler (1715–1779) im Untergarten,33 1755 die Pflanzung von Bäumen aus Hubertusburg,34 die Lieferungen von steinernen »Bankfüßgen« 175535 und von Vasen 175636 sowie das Anlegen einer Baumschule im Obergarten.37 Innerhalb der zahlreichen Brühlschen Besitzungen und auch im Vergleich zu anderen zeittypischen Gartenanlagen nimmt Nischwitz eine Sonderstellung ein. Heinrich Graf von Brühl besaß neben Nischwitz 23 weitere kursächsische Güter, von denen er die meisten im Zeitraum von 1740 bis 1749 erworben hatte.38 Carl Heinrich von Heineken zufolge sind »sonderlich aber in Nischwitz gewaltige Summen Geldes verbauet worden«.39 Ausschlaggebend für den Kauf war offenbar die günstige Verkehrsanbindung, insbesondere die Nähe zu Dresden und zur Leipziger Messe. Der kostenintensive Ausbau und die in mehreren Briefen erhaltene Korrespondenz über Gestaltungsfragen, vor allem des Gartens, sprechen dafür, dass Nischwitz Brühls Stellung bei Hofe als angemessener Landsitz zu repräsentieren hatte und zu Recht als »Lieblingsschöpfung«40 der Gräfin von Brühl bezeichnet werden darf. Auch Heinrich Graf von Brühl muss Nischwitz persönlich sehr am Herzen gelegen haben, denn im Sommer 1763, wenige Monate vor seinem Tod, schickte er Geld zur Wiederherstellung, u. a. für Pförten und Nischwitz, an seinen Vertrauten von Heineken und sprach dabei ausdrücklich auch den Schlosspark an: »[…] je vous prie instamment de ne point oublier le pauvre Nischwitz tant la maison que le jardin.«41 Das Gut Nischwitz wurde trotz starker, mutwilliger Beschädigungen im Siebenjährigen Krieg und folgender Besitzerwechsel mitsamt allen zugehörigen Bestandteilen – Ehrenhof, Obergarten, Untergarten und Wirtschaftshof – weitergeführt, wovon neben dem Schloss die bis in die Brühlsche Zeit zurückreichenden Parkarchitekturen, pflanzliche Relikte und der in seiner Fläche vollständig erhaltene Ober-/Küchengarten mit seinen Spaliermauern bis heute eindrucksvoll zeugen. Die Gartenanlagen sind in ihrer überkommenen Größenordnung ein herausragendes Zeugnis Brühlscher Wirtschafts- und Gartenkultur mit Seltenheitswert. Die Aufgaben und Sorgen des herrschaftlichen Lustgärtners Johann Heinrich Fülcke Seit 1756 war Johann Heinrich Fülcke zur Pflege der umfangreichen Nischwitzer Gartenanlagen, bestehend aus Ehrenhof, Lustgarten (Untergarten) und Küchengarten (Obergarten), angestellt. Er war der einzige Sohn des gleichnamigen Johann Heinrich Fülcke (Filcke), des »Hochfürstl. Weimarischen Kunst wohlerfahrenen Lust und Orangen Gärtner«.42 Bemerkenswert ist sein Gehalt, das die Zahlungen an das übrige Personal, darunter Bettmeister, Hegereiter, Schäfer, Gutsverwalter und Gerichtsdirektor, übertraf.43 Statt der laut Bestallungsbrief ohnehin zugesprochenen 150 Taler jährlich erhielt er nach eigenen Angaben 200 Taler, die »ihm vom ersten Antritt an seines Dienstes sogleich […] gereichet worden […], weil die Größe des Gartens, und die darinnen befindlichen vielen Hecken und Espaliers große Arbeit und einen unermüdeten Fleiß erforderten«.44 Fülcke zählte im Gegensatz zu den beim Wirtschaftshof beschäftigten Personen zu den »herrschafftlichen Officianten«.45 Freie Wohnung im Obergeschoss der Orangerie,46 acht Klafter Feuerungsholz sowie ein Geselle und ein Lehrjunge zur regelmäßigen Gartenarbeit waren ihm zugesprochen.47 Nach Bedarf angeheuerte Tagelöhner und sogenannte »Jäteweiber« komplettierten die Gartenmannschaft.48 • Umfang und Pflegeerfordernis der Nischwitzer Gartenanlagen Mitte des 18. Jahrhunderts Vom Umfang der Nischwitzer Gartenanlagen in der Mitte des 18. Jahrhunderts und deren Pflegeerfordernis vermitteln die überlieferten Pläne, die Aufzeichnungen Fülckes wie auch der überkommene Bestand einen hervorragenden Eindruck (vgl. Abb. 1, 2). Die Gesamtanlage gliederte sich, wie noch heute, in die vier räumlich, funktional und gestalterisch unterscheidbaren Kompartimente Schloss mit Ehrenhof, Ober- und Untergarten und den separat gelegenen Wirtschaftshof. Eingang und Empfang bildete der Ehrenhof, sich aufspannend zwischen Schloss, den im Halbkreis durch Bogengänge angebundenen Nebengebäuden und einer dem Schloss als Point de vue entgegengesetzten Kleinarchitektur, in der Entwurfszeichnung als »Prospect«49 bezeichnet. Nördlich schloss sich, bis zum Wirtschaftshof reichend, ebenerdig der als Küchengarten genutzte Obergarten mit zwei Lusthäusern an. Die größte Fläche nahm mit 14 ½ Acker und sechs Ruthen50 der westlich an Schloss und Obergarten anschließende, tiefer gelegene Untergarten ein. An seiner westlichen Außengrenze reichte er bis an das Ufer des Wurzener Mühlgrabens, wo er seinen Abschluss in einem als Halbkreis geführten Laubengang mit einem achteckigen Pavillon im Zentrum fand. Geschickte Achsenführung und die Positionierung von Aussichtspunkten untermalten und steigerten die Wirkung der weitläufigen Muldenaue und des vorüberziehenden Wassers. Der Untergarten war durch vier Freitreppen an den Obergarten und den Ehrenhof angeschlossen und auch optisch – durch eine Balustrade sowie die Durchblicke gewährenden Bogengänge – mit jenen verbunden. Neben dem großzügigen, dem Schloss vorgelagerten Boulingrin umfasste er mehrere kleinteilige, in sich geschlossene, geo-

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