Der Hermann-Seidel-Park in Dresden-Striesen 113 1813 gründete er seine erste Gärtnerei. Ab 1818 trat er gemeinsam mit seinem Bruder Traugott Leberecht (1775– 1858) auf. Er machte sich vor allem mit der Züchtung und Verbreitung von Kamelien einen Namen und belieferte Sammler und Kamelienliebhaber in ganz Europa mit dieser Modepflanze. Er beschäftigte sich aber auch mit Rhododendren und Azaleen.11 Traugott Jacob Herrmann Seidel war der einzige Sohn Jacob Friedrich Seidels und seiner Frau Rosalie Edmunde geb. Pfeilschmidt (Lebensdaten unbekannt). Nach seiner Lehrzeit bei den angesehenen Handelsgärtnern Ludwig Leopold Liebig (1801–1872) und Carl Ferdinand Himmelsstoß (Lebensdaten unbekannt) verließ Herrmann Seidel die sächsische Residenz und ging ins Ausland. In England arbeitete er in Bagshot in der Grafschaft Surrey in der angesehenen Baumschule von John Standish (1814–1875), dessen Begeisterung für Rhododendren sich auf Seidel übertrug und ihn ein Leben lang begleiten sollte. Nach dem Tod seines Vaters 1860 übernahm er die Geschäfte der Seidelschen Gärtnerei in Dresden.12 1865 verlegte er den Betrieb, der sich seit 1819 an der Äußeren Rampischen Gasse befunden hatte und den er zu erweitern gedachte, aus Platzmangel nach Striesen an die heutige Borsbergstraße nahe dem Stresemannplatz.13 Die neue Gärtnerei gehörte zu den modernsten ihrer Art. Alle Gewächshäuser wurden über eine zentrale Hochdruckdampfheizung mit Wärme versorgt. Eine Innovation Herrmann Seidels waren die sogenannten »Japans«, die – aus Balken und rohen Brettern zusammengefügt und halb in die Erde hinein gebaut – bald das Bild vieler Dresdner Gärtnereibetriebe prägen sollten. Diese Gewächshäuser waren im Sommer offen und im Winter bis auf wenige Lichtöffnungen mit Sägespänen, Nadelerde oder Dünger bedeckt. Bis zu 26 000 Kamelien oder Azaleen fanden in den größeren Häusern Platz.14 Seidel arbeitete überwiegend für den Export. Er lieferte nach Russland, ÖsterreichUngarn und Südeuropa. Seine Hauptkulturen waren Kamelien, Rhododendren und Azaleen. 1887 wuchsen in seinen Gewächshäusern etwa 200000 Kamelien, 175000 Rhododendren und 150 000 Azaleen.15 Herrmann Seidel interessierte sich insbesondere für die schon von seinem Großvater kultivierten Rhododendren, die jedoch bisher hier nicht winterhart waren. In der Hoffnung, sie in Sachsen akklimatisieren zu können, begann er neue Sorten zu züchten. Für dieses Vorhaben erwarb er 1875 ein weiteres Grundstück in Striesen, das beste Bedingungen für die Zucht von Rhododendren bot.16 Am 28. April 1896 verstarb Herrmann Seidel und wurde auf dem Friedhof in Striesen bestattet. Er hinterließ Frau und Kinder. 1860 hatte er seine Jugendliebe Minna Sidonie Hoffmann (1836–1917), Tochter eines Finanzrates, geheiratet.17 Mit dieser hatte er sechs Kinder, zwei Jungen und vier Mädchen. Herrmann Seidels Tochter Rosalie (1867–1945) heiratete 1895 den Königlich Sächsischen Obergartendirektor Johann Carl Friedrich Bouché (1850–1933)18 und verband so die Familie Seidel mit der Gärtnerdynastie Bouché. Die Söhne Traugott Jacob Rudolf (1861–1918) und Traugott Jacob Heinrich (1864–1934) traten beide nach ihrer Lehrzeit und dem obligatorischen Auslandsaufenthalt 1883 bzw. 188919 in die väterliche Gärtnerei ein. Als die wachsende Stadt die ehemaligen Vororte erreicht hatte und die Gärtnereien in Striesen in Platznot gerieten, erwarben Rudolf und Heinrich ein großes Areal in Laubegast und begründeten dort 1893 den neuen Standort der Familiengärtnerei Seidel. 1897 kauften sie außerdem ein Nadelwaldgebiet zwischen Grüngräbchen und Schwepnitz in der Oberlausitz, auf dem sie mit der Anpflanzung von Rhododendren begannen. Im Jahr 1900 teilten die Brüder das Unternehmen auf. Heinrich führte seitdem die Dresdner Gärtnerei allein. Rudolf bezog das Rittergut in Grüngräbchen und leitete die dortige Rhododendrongärtnerei.20 Die Firma T. J. Seidel in Laubegast fand 1945 mit der Enteignung der Familie ihr Ende. Allerdings führen in Grüngräbchen Herrmann Seidels Nachfahren noch heute fort,21 was dessen Vater Jacob Seidel begründet und er selbst in aller Welt bekannt gemacht hat: die untrennbare Verbindung des Namens Seidel mit der Züchtung winterharter Rhododendronsorten. Die historische Entwicklung des Hermann-Seidel-Parks in Dresden • Entwicklungsphase 1: Seidelsche Gärtnerei 1875–1920 1875 erwarb Herrmann Seidel im damaligen Dresdner Vorort Striesen einige Flurstücke »mit einem dünn bestandenen Kiefernwald«,22 der ehemals Teil des Blasewitzer Tännichts war. Ursprünglich hatte die Gemeinde Striesen beabsichtigt, hier einen Friedhof anzulegen. Seidel war gegen diesen Plan, der die Entwicklung des Ortes nach Osten beeinträchtigt hätte. Abb. 2 Unbekannter Künstler, Bildnis des Gärtners Traugott Jacob Herrmann Seidel (1833–1896), um 1860, Öl auf Leinwand, Privatbesitz.
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