Leseprobe

114 Silke Epple Sein Einspruch war erfolgreich, der Friedhof entstand nicht und die Fläche ging in seinen Besitz über.23 Er hoffte, hier die nötigen klimatischen Bedingungen zu finden, um winterharte Rhododendren züchten zu können.24 Diese litten im Winter unter dem kalten Wind, der an den gefrorenen Blättern zerrte und das Zellgewebe zerriss. Außerdem vertrugen sie den Wechsel von Frost und Frühjahrssonne schlecht. Der Nadelbaumbestand auf dem neu erworbenen Grundstück bot nun den nötigen Schutz für die Pflanzen. Seidel legte ab 1877 unter Einbeziehung des vorhandenen Gehölzbestands einen Rhododendronhain an. Die Anlage wurde als Schau- und Sichtungsgarten genutzt, um die Züchtungsergebnisse der Gärtnerei zu präsentieren.25 Über die Gestaltung des Areals ist nur sehr wenig bekannt. Lediglich eine Abbildung aus der Zeit um 1913 bietet eine Vorstellung von der Anlage (Abb. 3). Das Gelände war in dem abgebildeten Bereich – wahrscheinlich der östliche Teil – dicht mit jungen Kiefern bewachsen, zwischen denen sich aber auch einige Laubgehölze befanden. Durch den heutigen Bestand wissen wir, dass dazu Esskastanien, Stiel-, Rot- und TraubenEichen, eine Sumpf-Eiche, Blut-Buchen, eine Rundblättrige Rot-Buche und eine Gefülltblühende Rosskastanie gehörten. Unter den Bäumen war eine Vielzahl Rhododendren gepflanzt, die von Farnen begleitet wurden. Landschaftlich geschwungene, wassergebundene Wege durchzogen die gepflegte Anlage. In dieser Zeit befand sich ein Milchpavillon der Firma DREMA A. G. – einer städtischen Großmolkerei – im Park. Dieser stand offenbar im südlichen Bereich nahe der Villa (siehe unten) und verzeichnete regen Besuch, was darauf hindeutet, dass der Rhododendronpark sich großen Interesses erfreute. Das war ganz im Sinne des Betreibers, der von einem möglichst großen Publikumsverkehr in seinem Schau- und Sichtungsgarten profitierte. Bis zur Bebauung der umliegenden Straßen muss das Gelände der Gärtnerei um einiges größer gewesen sein als das heutige Quartier. Ein skizzenhafter Situationsplan von 1886 (Abb. 4) zeigt das Ausmaß der Gärtnerei zu dieser Zeit. Er stellt auch die südlich und östlich angrenzenden Parzellen als Teil des Besitzes dar. Außerdem sind drei kleinere Gebäude im Bereich des heutigen Hermann-Seidel-Parks zu erkennen. Das östliche ist mit der Bezeichnung »Dampfkessel« versehen. Hier war offensichtlich die Heizung für vorhandene Gewächshäuser untergebracht. Das südwestliche Gebäude, im Plan die Fläche mit der Nr. 533, ist heute unter der Adresse Pohlandstraße 27 immer noch vorhanden. Seine ursprüngliche Funktion ist nicht bekannt; heute wird es als Wohnhaus genutzt. Von Gewächshäusern berichtete auch Herrmann Seidels Tochter Helene Eidner (geb. 1870): »In dem Teil südlich der Augsburger Straße hatte Vater zwei Gewächshäuser bauen lassen, die auf Schienen standen und weggerollt werden konnten. Das imponierte dem König [Albert] so, daß er selbst die Kurbel drehte. Wegen des doppelten Platz[bedarf]es fiel die Erfindung in Vergessenheit.«26 1895 baute Herrmann Seidel im südlichen Bereich des Geländes eine Villa, heute Augsburger Straße 71, die er aufgrund der Lage weit außerhalb der Stadt »Villa Sansibar« taufte (Abb. 5).27 Nach seinem Tod im Jahr darauf lebte seine Frau Minna bis zu ihrem Ableben 1917 allein in diesem Haus. Abb. 3 Dresden-Striesen, Schau- und Sichtungsgarten der Gärtnerei Herrmann Seidel, heute Hermann-Seidel-Park, aus: Erinnerungsblätter zur Feier des 100jährigen Bestehens der Firma T. J. Seidel – Dresden-Laubegast am 24. Juni 1913, Dresden 1913. Abb. 4 Striesen bei Dresden, Situationsplan der Seidelschen Gärtnerei, nach Südosten ausgerichtet, 1886, Stadtarchiv Dresden, 8.51 Gemeindebestand Striesen, Nr. 678, S. 17. Abb. 5 Striesen bei Dresden, Villa Sansibar, ehemals Augsburger Straße 71, Foto um 1900, aus: Erinnerungsblätter (wie Abb. 3).

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