Leseprobe

Veranstaltungen und Berichte 137 Abb. 3 Dresden, Hauptstraße, früher Straße der Befreiung, Postkarte, 1979. Abb. 4 Dresden, Neustädter Markt und Hauptstraße, im Vordergrund Platzzentrum mit Denkmal, Schmuckpflaster, Brunnen und Fahnenmasten, Foto 1980. Abb. 5 Dresden, Neustädter Markt nach Osten, Querblick mit dem »Wasserkunst« genannten Brunnen von Friedrich Kracht und Baumblöcken, Foto Februar 2023. der Hauptstraße an. Die Ausstattung der Pflanzbereiche mit Bänken und Betonkantensteinen wurde extra für den Neustädter Markt entworfen. Mit den sich weit nach außen öffnenden Gebäudeflügeln wurde der barocke Duktus der Platzanlage in zeitgenössischer Form und mit den damals vorhandenen technischen Möglichkeiten neu interpretiert. Es überlagern sich zwei städtebauliche Freiraumfiguren: die Hauptstraße als Boulevard und der Neustädter Markt als Schmuckplatz. Dazu gehört die Einbeziehung der Silhouette der Altstadt über die Elbe hinweg im Süden als vierte Platzseite. Dabei erscheinen dem Betrachtenden vom südlichen Ende der Platanenallee einige der wichtigsten Altstadtbauten Dresdens wie auf einer Bühne wirkungsvoll in Szene gesetzt. Es lohnt aber auch ein Blick von der Brühlschen Terrasse über die Elbe. Hier wird deutlich, dass die Höhe der Bebauung am Neustädter Markt sensibel Rücksicht nimmt und keines der älteren Gebäude im Umkreis überragt. Im Zentrum des Neustädter Marktes stehen als große Geste der »Goldene Reiter« und die repräsentativen »Wasserkünste«, während die Flanken des Platzes beruhigt sind. Dies beschert ihm sowohl eine durchdachte Funktionalität als auch mittels individuell gestalteter Ausstattungselemente eine hohe Verweilqualität. Gleichzeitig wurde ein moderner Raum mit konsequent zeitgenössischen Materialien und komfortablem Stadtmobiliar geschaffen. Das ist in dieser Konsequenz für das Gebiet der DDR ein frühes und qualitativ bemerkenswertes Beispiel. Die in den Sockelzonen vorkragenden, seinerzeit »Funktionsunterlagerung« genannten Ladenzeilen entwickelten sich zu einem innovativen, später landesweit angewandten Muster. Der Hauptanteil der Bebauung mit etwa 1 000 Neubauwohnungen sowie einer Schule, einem Kindergarten und einer Kinderkrippe im rückwärtigen Bereich wurde in der industriellen Großplattenbauweise WBS 70 »6,3 Mp« Typ Dresden errichtet. Für die Fassaden der sechsgeschossigen Wohngebäude entwickelte man besondere Gestaltungsvarianten unter partieller Verwendung des für Dresden typischen Sandsteinmaterials. Mit hellen, freundlichen Oberflächen versehen, wirkten sie im Verhältnis zur sonst vorherrschenden Monotonie vergleichsweise elegant. Die Erdgeschosszonen entstanden als Stahlbetonskelettkonstruktionen, um die Einordnung von Geschäften, Gaststätten und Dienstleistungseinrichtungen zu ermöglichen. Hinzu kamen überdachte Gänge vor den Ladenfronten, die als Regen- und Sonnenschutz gedacht waren. Für diese Unter- und Anlagerungen verwendete man das Elemente-Sortiment des VGB (Vereinheitlichter Geschossbau). Die Brüstungsbänder über den unverkleidet belassenen Stützen wurden mit weißem Kleinmosaik belegt. Von den im Diskurs um den Neustädter Markt – also im Rahmen der öffentlich geführten Auseinandersetzung um die Qualität der städtebaulichen Figur – angeführten Vorbildern oder Vergleichsbeispielen überzeugt sicher der Place de la Bourse in Bordeaux in Frankreich mit seiner städtebaulichen Wirkung am augenscheinlichsten, allerdings handelt es sich hier um eine ältere und weit kompaktere Bebauung aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Darüber hinaus finden sich verschiedene Anlagen, denen ähnliche städtebauliche Ideen zugrunde liegen, wie der Porte Océane im französischen Le Havre, entstanden während des Wiederaufbaus der Stadt nach 1945

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