140 Veranstaltungen und Berichte Nils M. Schinker, Nora Wiedemann Zeugnisse der Braunkohleindustrie in den sächsischen Revieren Länderübergreifendes Erfassungsprojekt Mit dem Ziel, die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen zu fördern und den dortigen Strukturwandel zu begleiten, wurde 2020 vom Deutschen Bundestag das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen verabschiedet. Vor diesem Hintergrund führen die Landes- und Fachämter für Denkmalpflege und Archäologie in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen von 2021 bis 2023 ein von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien finanziertes zweijähriges interdisziplinäres Erfassungsprojekt in den noch aktiven Braunkohlerevieren durch. Neben Tagebauinventar, industriellen Großkomplexen, Verwaltungs- und Kulturbauten, Siedlungen und anderen baulichen Zeugnissen werden auch Gruben, Bruchfelder, Dämme, Halden, Kippen, devastierte Orte und ehemalige Infrastrukturen wie Trassen der Seil- und Kettenbahnen, Gräben, Gleise, Wege und vieles mehr im Rahmen des Projektes inventarisiert. Im Freistaat Sachsen wurden von den Referaten Inventarisation der Landesämter für Denkmalpflege und für Archäologie für die Projektlaufzeit Niederlassungen im Mitteldeutschen und im Lausitzer Revier eingerichtet, um vor Ort die Zeugnisse der Braunkohleindustrie zu erfassen. Für die Landkreise Nordsachsen, Leipzig und die Stadt Leipzig ist das Team in Borna unter Leitung von Dr. Nils M. Schinker und für die Landkreise Bautzen und Görlitz in der Lausitz ist das Team in Weißwasser unter Leitung von Nora Wiedemann zuständig. Seit Juni 2021 läuft das Projekt in den beiden Revieren, die in ihrer geologischen Struktur und der Verteilung der Braunkohlevorkommen höchst unterschiedlich sind: Während sich die etwa 1 500 bis 2 000 Sachzeugnisse im Mitteldeutschen Revier zu 80 Prozent im Südraum Leipzig konzentrieren, verteilt sich die etwa gleich große Anzahl der Objekte in der Lausitz stärker auf die beiden betrachteten Landkreise. Der eigentlichen Erfassungsarbeit ging eine intensive strukturelle Vorbereitung voraus, die im Abgleich mit der weitgefassten Aufgabenstellung in der Festlegung von sieben inhaltlichen Erfassungskategorien resultierte. Damit wird der gesamte Gewinnungs- und Verarbeitungsprozess der Braunkohle mit ihren Begleit- und Folgeerscheinungen abgebildet: Bergbau, z. B. Tagebaugroßgeräte, Tiefbauschächte, Energieerzeugung, z. B. Kraftwerksbestandteile, Fernwärmetechnik, Veredelung, z. B. Brikettfabriken, Kokereien, Technische Infrastruktur, z. B. Netz der Kohlebahnen, Stromverteilung, Sozialstrukturen, z. B. Werkssiedlungen, Erinnerungsorte, Begleit- und Folgeindustrie, z. B. Maschinenbau (Zulieferer), Glaswerke und Geländestrukturen/Rekultivierung, z. B. Bergbaufolgeseen, Hochkippen. Neben den zahlreichen materiellen Zeugnissen werden im Projekt auch verschwundene Objekte – also durch den Tagebau selbst oder durch Rückbau in Folge des Strukturwandels entstandene Fehlstellen – dokumentiert. Durch Erinnerungsorte präsent und ebenso Teil des Erfassungsprojektes sind die Stätten der Zwangsarbeit in der Braunkohlegewinnung und -verarbeitung sowie die bis in die Gegenwart für den Tagebau devastierten Orte. Abb. 1 Erfasserteam für die Zeugnisse der Braunkohleindustrie im Mitteldeutschen Revier: v. l. Christian Schmidt, Josephine Dreßler, Ullrich Ochs, Dr. Nils M. Schinker, Cynthia Thomas, Dr. Isabell Schmock-Wieczorek und Dr. Vincent Haburaj mit der Figurengruppe »Bergmann und Zwiebelfrau« von Friedrich »Fritz« Ritter, 1983, am Südufer des Breiten Teiches in Borna, Foto 2022. Abb. 2 Erfasserteam für die Zeugnisse der Braunkohleindustrie im Lausitzer Revier: v. l. Tom Pfefferkorn, Nora Wiedemann, Kathrin Kruner, Anja Prust und Martin Neubacher vor der ehemaligen Brikettfabrik Knappenrode, heute als Energiefabrik Knappenrode Standort des Sächsischen Industriemuseums, Foto 2021.
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