154 Personalia Dr. Michael Streetz zur Verabschiedung in den Un-Ruhestand Beim Blick über den Lichthof auf die Fenster des Büros 524 im zweiten Dachgeschoss des Ständehauses am Schlossplatz in Dresden, dem Sitz des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen (LfD), ist heute nichts zu sehen, was sie wesentlich von den anderen rundherum unterscheidet. Das war nicht immer so. Denn bis Dr. Michael Streetz im Dezember 2021 aus dem aktiven Berufsleben ausschied, zeichnete sich diese Fensterfront durch ein schier undurchdringliches Pflanzengrün aus. Dahinter verborgen wirkte unser geschätzter Kollege unermüdlich für die Erhaltung der sogenannten »Technischen Denkmale« in Sachsen, also der Denkmale der Industrie- und Technikgeschichte. Als jüngstes Kind einer evangelischen Pfarrersfamilie im Sauerland 1956 geboren, war es nicht abzusehen, dass Michael Streetz einmal einer der engagiertesten Fürsprecher dieser oftmals unbequemen Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen werden würde. Nach Abschluss einer Lehre zum Bau- und Möbeltischler entschied er sich für ein Studium der Kunstgeschichte, der Klassischen Archäologie sowie der Mittleren und Neueren Geschichte an der Universität Göttingen. Seine nachfolgende Promotion über das Renaissanceschloss Hannoversch Münden, für die er eine umfassende Auswertung schriftlicher Quellen wie auch eine umfangreiche Analyse des Gebäudebestandes durchführte, schloss er 1996 mit einer zweibändigen Promotionsschrift erfolgreich ab. Seine Kenntnisse und Erfahrungen aus dieser Zeit konnte er ab dem Folgejahr in einem Volontariat im LfD Sachsen einbringen. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit hier war die Erfassung von technik- und industriegeschichtlich bedeutenden Kulturdenkmalen. Mit der Publikation »Sächsische Industriedenkmale in neuer Nutzung« präsentierte er nicht nur die große Vielfalt der von ihm bearbeiteten Objekte, sondern stellte auch seine Fähigkeit, sich in kürzester Zeit in ein neues Aufgabengebiet einzuarbeiten, unter Beweis. 1999 erhielt er daraufhin eine Festanstellung am LfD als Gebietsreferent für die Stadt Chemnitz und den Landkreis Mittweida, war aber auch in der Bauforschung tätig. Dr. Torsten Remus, Fachreferent im Sachgebiet Bauforschung des Landesamtes, erinnert sich an die Anfänge seiner gemeinsamen Arbeit mit Michael Streetz: »2001 erhielt ich vom damaligen Amtsleiter Prof. Glaser mehr oder weniger im Vorbeigehen die Aufgabe, das Neue Schloss in Bad Muskau bauarchäologisch zu untersuchen. ›Ach ja, und nehmen Sie den Herrn Dr. Streetz mit, der weiß auch schon Bescheid.‹ Durch das gute Zusammenspiel mit der Schloss- und Parkverwaltung in Bad Muskau konnten wir in den Sommermonaten zuweilen mehrere Tage zusammenhängend am Objekt arbeiten. In dieser sehr intensiven Zeit, in welcher sich der Kollege Streetz durch seine Kenntnisse aus der Promotion über das Renaissanceschloss Hannoversch Münden einbrachte, lernte ich einen sehr ruhigen, besonnenen, für die Sache brennenden Menschen, ja Freund kennen. Eine seiner vielen und schätzenswerten Eigenschaften ist das Zuhörenkönnen. Diese Gabe ist in der heutigen kurzlebigen und sehr oberflächlichen Zeit nur selten zu finden. Die Arbeit am Objekt war teilweise auch lustig: So haben wir die im ruinösen Schloss beheimateten, noch in Ruhe befindlichen Kröten zum Schutz während unserer Arbeiten durch aufgelegte kleine Polystyrolstücke markiert. Unsere Bewegungsmuster wurde in diesem als ›Krötenkeller‹ bezeichneten Raum deshalb sehr langsam und speziell.« Zwei Jahre später folgte ein weiterer denkwürdiger Einsatz beider Kollegen. Die Baugeschichte eines Objektes in Torgau sollte untersucht werden. Torsten Remus berichtet, dass er »für das grundlegende Aufmaß ›den Kollegen Streetz‹ heranziehen sollte, ›damit er lernt, wie das so geht, ganz mit Hand, wie früher eben‹, so die Landeskonservatorin Prof. Dr. Rosemarie Pohlack. Das Aufmaß und die darauf basierende baugeschichtliche Untersuchung wurden zur Zufriedenheit aller ausgeführt – nur, dass im Zuge dessen durch den gezielten Einsatz von Werkzeug zwei Häuser in der Fischerstraße in Torgau einige Zeit stromlos waren.« Die große Dichte der in und um Chemnitz erhaltenen technischen Denkmale bewog die Amtsleitung 2007 dazu, Michael Streetz diese auch landesweit zur Betreuung zu übergeben, als der dafür zuständige Fachreferent Stephan Klaus in den Ruhestand eintrat – zusätzlich zu den bisherigen Aufgaben. Erst ab 2011 durfte er sich ausschließlich den Denkmalen der Industrie und Technik widmen. In den folgenden Jahren setzte sich Michael Streetz mit großem Engagement für die Erhaltung der technischen Denkmale sowie allgemein für die Gestaltung der sächsischen Kulturlandschaft ein – mit umfangreichem Fachwissen, aber immer wieder auch begeistert Neues dazulernend. Besonders hervorzuheben ist sein erfolgreiches Ringen um die Beckerbrücke in Chemnitz, besser bekannt als Chemnitztalviadukt, das für eine neue Eisenbahnüberführung abgebrochen werden sollte. Die dortige Bürgerinitiative wurde 2020 mit dem höchsten Denkmalpreis Deutschlands, der Silbernen Halbkugel, ausgezeichnet, eine Anerkennung, die eigentlich allen an der Rettung des bedeutenden Ingenieurbauwerks Beteiligten gebührt. Auch die Antragstellung zum UNESCO-Weltkulturerbe »Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří« wurde von Michael Streetz in seiner Funktion als Referent für Technische Denkmale intensiv begleitet, die 2019 schließlich mit der Aufnahme in die Riege der Welterbestätten in Baku/ Aserbaidschan gekrönt wurde.
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