Aktuelle Forschungen zur spätmittelalterlichen Ausstattung des Freiberger Doms St. Marien 27 Zur zeitnahen Fortführung der Arbeiten ist die Beantragung eines Nachfolgeprojektes vorgesehen. In dessen Rahmen sollten dann die Untersuchung und Dokumentation der spätgotischen Kunstwerke weitergeführt und zumindest für den ehemaligen Landkreis Freiberg ein erster Band des Korpus-Werkes erarbeitet werden. Für die Erweiterung der Datenbank um die tschechische Sprache wären die Erstellung eines deutsch-tschechischen Fachthesaurus vor allem zu kunsttechnologischen Begriffen und nachfolgend die schrittweise Erfassung der nordböhmischen Kunstwerke sinnvoll. Faltblätter in beiden Sprachen sollen die wesentlichen Erkenntnisse zu den untersuchten Kunstwerken vorstellen und damit den Kulturtourismus fördern. Und natürlich soll auch die weitere Vernetzung und Kooperation mit all denjenigen Institutionen und gesellschaftlichen Kräften vorangetrieben werden, die an der Erforschung und Erhaltung des reichen kulturellen und künstlerischen Erbes in der Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří in seiner Gesamtheit und Vielfalt beteiligt sind. Ausgewählte Projektergebnisse Aus der Fülle der bisher im Rahmen des Forschungsprojektes kunsthistorisch wie kunsttechnologisch erfassten Objekte sollen an dieser Stelle drei Fallbeispiele vorgestellt werden, bei denen die Untersuchungsergebnisse eine neue Sichtweise auf die Kunstwerke eröffneten. Es ergaben sich sowohl gattungsspezifische Neubewertungen als auch bisher unbekannte Erkenntnisse zu ursprünglichen Aufstellungskontexten, die perspektivisch zu einer neuen Präsentationsweise der Objekte führen könnten. Im Freiberger Dom St. Marien werden in den Seitenschiffen zwei schmale, hochrechteckige Tafeln präsentiert, auf denen jeweils eine geschnitzte Skulptur im Relief abgebildet ist: eine unbekannte weibliche Heilige und die Heilige Margarethe mit einer Stifterdarstellung der Familie Alnpeck (Abb. 6). Bereits beim ersten eingehenden Betrachten lässt sich erkennen, dass die Tafeln keinen gemeinsamen Ursprung haben. Sie unterscheiden sich kompositorisch und auch stilistisch und scheinen vielmehr die erhaltenen Überreste zweier verschiedener Präsentationskontexte zu sein. Beide Objekte werden von der Forschung bislang als Seitenflügel kleinerer ehemaliger Domaltäre interpretiert.16 Diese Angabe findet sich sowohl in älterer als auch in der jüngsten Literatur zur spätgotischen Ausstattung des Freiberger Doms.17 Für eine eingehende kunsttechnologische Untersuchung war es nötig, beide Tafeln kurzzeitig von ihrem angestammten Platz abzunehmen, um auch die Rückseiten erfassen und dokumentieren zu können. So war das Projektteam außerordentlich gespannt, erwartete man doch dort immerhin mehr oder weniger umfangreiche Reste von Tafelmalereien zu finden, wie für Retabel dieser Zeit üblich. Mit Erstaunen war festzustellen, dass die Rückseiten nicht nur vollständig holzsichtig sind, sondern zudem in ihrer Bearbeitung auch recht grob erscheinen und damit nicht für eine Tafelmalerei geeignet sind. Dies führte zu einem intensiven Denkprozess über den ursprünglichen Kontext und letztlich zu einer neuen Zuordnung beider Objekte. • Fallbeispiel 1: Tafel mit Heiliger Margarethe und Stiftern, um 1520 Die hochrechteckige Tafel mit der im Relief gestalteten Skulptur der Heiligen Margarethe befindet sich, von den Besuchern und Touristen meist unbemerkt, in einer Kapelle des nördlichen Seitenschiffs des Doms (Abb. 7). Die ungerahmte Tafel teilt sich in drei Bereiche. Im oberen Drittel, hinter dem Kopf der Schnitzfigur, erscheinen ein ornamentierter Nimbus und umgebendes Rankenmuster auf Goldgrund. Der Hintergrund des restlichen Körpers darunter ist in einem dunklen Blau gehalten. Das untere Drittel der Tafel zeigt zwei kniende, männliche Stifterfiguren mit dem Wappen der Freiberger Patrizierfamilie Alnpeck vor gemaltem rotem Mauerwerk. Die ältere Stifterfigur trägt einen langen, schwarzen Mantel mit braunem Pelzbesatz und ein helles Untergewand. Ihre Hände sind zum Gebet gefaltet und auf dem Kopf ist ein goldgewirktes Netz mit Edelsteinen erkennbar, welches die Haare zusammenhält (Abb. 8). Die kleinere Gestalt kniet mit der gleichen Handhaltung dahinter, bekleidet mit einem rötlichen Mantel mit hellem Pelzbesatz. Ihr Haupt ist unbedeckt und die dunkelblonden Haare fallen bis auf die Schultern. Das Wappen zeigt im Schild einen gelben Adler mit offenem Schnabel und Abb. 6 Dresden, Sächsischer Altertumsverein, Museum im Palais im Großen Garten, Bildwerke mit unbekannter Heiliger und Heiliger Margarethe aus dem Dom St. Marien in Freiberg, LfD Sachsen, Bildsammlung, Negativ-Nr. 3/175, Foto 1930.
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