Leben erwecken. Schrepfers Geheimnis war die Projektion mithilfe einer Laterna magica, die unsichtbar hinter einer Wand stand und über eine kleine Öffnung Abbilder von Verstorbenen oder Persönlichkeiten geheimnisvoll auf Rauch projizierte. Zu Schrepfers treuesten Begleitern zählte der Leipziger Apotheker Johann Heinrich Linck d. J., vor dessen Gartenhaus die Polizei Schrepfer einst festnahm.2 Schrepfers Beschwörungen folgten immer dem gleichen Muster: Ein Punsch machte den Kopf der Teilnehmer schwindlig, durchziehender Rauch im Raum betäubte den Verstand, und der mitternächtliche Beginn ließ am Ende des Tages jegliche Aufmerksamkeit ermüden. Der Spuk endete jäh mit dem Selbstmord Schrepfers 1774, er wurde zum Mythos. Schriftsteller wie Friedrich Schiller mit seiner Novelle Der Geisterseher näherten sich dem Phänomen Schrepfer an, und Schausteller bedienten sich seines Namens. Aus St. Petersburg kommend bereicherte ein gewisser Herr Philidor, seines Zeichens Schausteller und Experimentator, im Frühjahr 1789 die Berliner Bühne um physikalisch-chemische Kunststücke. Seine Ehre litt wohl unter der – seiner Meinung nach – mangelnden Anerkennung des Berliner Publikums. Die Zuschauer waren aufgeklärt, nicht nur, weil sich Berlin unter der Regentschaft Friedrichs II. zu einem Zentrum der deutschen Aufklärung entwickelte, sondern auch, weil der Berliner Kaufmann Peter Friedrich Catel seit 1779 physikalisches Spielzeug offerierte und die Käufer genau diejenigen waren, die die Vorstellungen von Philidor besuchten. Der hochmütige Philidor war entschlossen, seinen beschädigten Ruf durch etwas völlig Neuartiges, noch nie Dagewesenes wiederherzustellen. Der 30. März 1789 geht als Geburtsstunde der Geistererscheinung vor zahlendem Publikum in die Geschichte ein. Am ersten und letzten Abend seiner Beschwörung kamen ein Dutzend Besucher zusammen und entlarvten schnell die Scharlatanerie. Der Spuk wurde umgehend von der Berliner Polizeidirektion beendet, und Philidor wurde buchstäblich aus der Stadt hinausgejagt. Daraufhin verschlug es Philidor nach Wien. Dort entwickelte er 1790 die später allgemeingültige Erscheinungsform einer Geistererscheinung. Anstatt auf Rauch gab es eine Rückprojektion auf eine Leinwand mittels der Laterna magica, weiterentwickelt um ein mit Rollen versehenes Gestell, welches die projizierten Bilder durch die Veränderung des Abstands zur Leinwand vergrößern oder verkleinern konnte. In Wien fand Philidor die Anerkennung des Publikums, die er gesucht hatte. Die Vorstellungen wurden anfänglich als »Phantasmorasi, oder natürliche Geister Erscheinungen«3 angekündigt, bereits 1791 löste der zugkräftigere Titel »Schröpferische Geister Erscheinung«4 die frühere Benennung ab. Der Mythos Schrepfer als Pionier der Séancen ließ das Publikum aufhorchen und sorgte für ein volles Haus und volle Kassen. Der aus Nordhausen stammende Mechanikus Christoph Breitrück hielt sich zu dieser Zeit in Wien auf und baute die Instrumente der Philidorschen Geistererscheinungen nach. Erfolgreiche Inszenierungen fanden schon damals ihre Nachahmer. Im Januar 1792 gab Breitrück in Nürnberg sogenannte »Phantasmorasi, oder natürliche Geistererscheinungen«.5 Einer der Besucher war wohl der Nürnberger Mechanikus Heinrich Marcus Brunner. Ein unsteter Charakter, Brunner übte in seinem Leben die unterschiedlichsten Tätigkeiten wie Schausteller, Kunstwarenhändler, Buchautor oder Mechanikus aus. Dabei verfolgte ihn zeitlebens die feste Konstante, dass sein finanzielles Auskommen nie zum Besten stand. Einen ausgeprägten Hang zum Übernatürlichen und zu unergründlichen Phänomenen kann man Brunner nicht absprechen, schließlich baute er Sprachmaschinen und stellte 1788 eine »Methaphysische Maschine« in Frankfurt am Main zur Schau.6 Er ist als der wahrscheinliche Hersteller der Waldenburger Geistermaschine anzusehen. Brunner versuchte, mit der Geistermaschine die Spektakel Philidors oder Breitrücks ins Wohnzimmer zahlungskräftiger Käufer zu bringen. Brunner konnte in der Umsetzung auf Vorbilder in der Literatur zurückgreifen, wie Unterricht in der natürlichen Magie von Johann Nikolaus Martius oder Magie oder die Zauberkräfte der Natur von Johann Samuel Halle, alle vor 1790 gedruckt. Drei Monate nach Breitrücks Engagement in der Stadt annoncierte Brunner im Mannheimer Intelligenzblatt eine »Machina metamorphosica Phandær 241
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