14 deutlicher in den Bereich des Möglichen. Auf der linken Bildseite sehen wir einen alten Mann mit grauem Haar und Bart auf einem Scherenstuhl sitzend.26 Sein Oberkörper ist leicht nach vorn geneigt und seine Arme ruhen auf den Lehnen des Stuhles. Während sein faltiges Gesicht, die ins Unbestimmte gerichteten Augen sowie das Haar mit scharfer Beobachtungsgabe detailliert und mit feinen Pinselstrichen wiedergegeben sind, scheinen die Hände im Vergleich weniger virtuos ausgeführt. Die Kopfbedeckung wurde erst zum Schluss gemalt, denn die Stirn scheint unter dem Schwarz der Kappe hindurch. Der Junge, der rechts vom alten Herrn steht, blickt uns aus neugierigen braunen Augen an. Er besitzt ein helleres Inkarnat, kurzes braunes Haar und trägt ein hochgeknöpftes rotbraunesWams mit weißer schmaler Krause und eine pelzverbrämte Jacke. Die Malerei ist hier virtuoser, sein Gesicht und die Augen, die Blickkontakt aufnehmen, wirken lebendig und es scheint, als hätte eine andere Hand diese Figur des Jungen ausgeführt oder überarbeitet. Das Bild ist in dunklen Tönen gehalten, der Fokus liegt auf den beiden Gesichtern, die auf gleicher Höhe liegend ein sinnfälliges Gegensatzpaar von Alter und Jugend bilden. Tietze-Conrat und Rearick folgend, der dieses Gemälde für Tintoretto als zu zaghaft beschreibt, ist die Verfasserin dieser Zeilen geneigt, hier ein frühes Werk vonMariettas Hand zu erkennen, das möglicherweise unter Mitwirkung Tintorettos entstand.27 DAS DRESDNER DOPPELB I LDNI S Zu den Gemälden, die Marietta zugeschrieben werden, gehört auch ein Doppelbildnis, das 1749 aus der kaiserlichen Galerie in Prag für die Sammlung von August III. als Werk Jacopo Tintorettos erworben wurde (Kat. 1). Ein älterer Herr mit grauemHaar und langemBart – in Schwarz gekleidet – sitzt in einem Scherenstuhl aus Holz. Eine zweite, deutlich jüngere Person mit hellerem Inkarnat und blondemHaar, ebenfalls in schwarzer Kleidung, wendet sich von der rechten Seite dem Sitzenden zu. Da der Stuhl leicht nach links gedreht ist, stützt sich der ältere Herr mit seiner linken Hand an der Lehne des Stuhles ab, um seinen Oberkörper der jüngeren Person zuzuwenden, die ihn mit einem Gestus ihrer rechten Hand auf etwas hinweist, was sich außerhalb des Bildraums zu befinden scheint. Das Gemälde ist überwiegend in Ocker-, Braun- und Schwarztönen gehalten und von einem stark vergilbten Firnis überzogen. Die dunkle Kleidung beider Personen, bei der einzig die weißen Kragen an Ärmeln und Hals herausblitzen, scheint mit dembraunen Hintergrund zu verschmelzen. Lediglich die Gesichter und die Hände treten als markante Elemente aus dem Dunkel des Bildes hervor. Etwas unmotiviert wirkt die linke Hand der stehenden Figur knapp am rechten Bildrand, die kaum ausgearbeitet ist und wie nachträglich hinzugefügt wirkt. Insgesamt scheint die Komposition unausgewogen, als wäre das Bild rechts beschnitten. Formal weist sie Parallelen zu dem oben besprochenen Doppelbildnis in Wien auf, denn auch hier werden links ein älterer Herr sitzend und rechts eine deutlich jüngere Person stehend dargestellt. Die Hände Abb. 4 JACOPO ROBUST I , GEN. T INTORET TO Alter Mann und Knabe, um 1565 Öl auf Leinwand, 103 ×83 cm Wien, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Inv.-Nr. 37
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