Leseprobe

DIANA MANTUANAS INSCHR I FTEN Diana Scultori (1547–1612) war über die Jahrhunderte hinweg unter vielen verschiedenen Namen bekannt. Allein daran lassen sich viele Mechanismen der Kunstgeschichtsschreibung sowie der historischen künstlerischen Praxis nachzeichnen: Verursacht durch eine falsche Annahme des Biografen Giorgio Vasari (1511–1674) über Dianas Verwandtschaft mit demKupferstecher Giorgio Ghisi (1520–1582), wurde sie im 18. Jahrhundert Diana Ghisi genannt.1 Ihren heute üblichen Nachnamen erhielt sie erst in jüngerer Zeit in Ableitung der Selbstbezeichnung ihres Vaters als Giovanni Battista Scultori (1503–1575), welche als eine Art Patronym auf sie übertragen wurde. Die verwandtschaftlichen Beziehungen sind so nun zwar richtig abgebildet, doch so recht zutreffend ist auch dieser Name nicht, denn im Gegensatz zu ihrem Vater, der nicht nur grafische Werke, sondern auch dreidimensionale Arbeiten in Stuck oder Papiermaché schuf,2 war Diana Scultori ausschließlich als Kupferstecherin künstlerisch tätig. Noch unzutreffender ist diese Berufsbezeichnung »Scultori« als Nachname, wennman sich die viel diskutierten Inschriften ihrer Stiche genauer ansieht. Als erste Kupferstecherin signierte sie ihre Werke und fügte den Drucken ausführliche Widmungen hinzu. Die Signaturen variieren zwischen »Diana«,3 »Diana Filia«, das heißt als Tochter, etwa wenn sie Vorlagen ihres Vaters im Kupferstich reinterpretierte, »Diana Mantuano« oder »Diana Mantovana« nach ihrem Geburtsort Mantua und »Diana Mantuana Civis Volaterana« nach Volterra, wo sie nach ihrer Heirat mit dem aus Volterra stammenden Francesco Capriani (1535–1594) die Ehrenbürgerschaft verliehen bekam.4 Diana Scultori, den Namen, unter dem wir die Künstlerin heute kennen, verwendete sie hingegen nie selbst. In den Signaturen ging es ihr offenkundig vielmehr darum, die Verbindungen zumHof vonMantua, zu ihrem Vater oder Ehemann sowie dessen Heimatstadt anzuzeigen.5 Diese Verbindungen waren für Diana als Künstlerin wesentlich; aus solchen einen beruflichen Vorteil zu ziehen, Aufträge zu akquirieren und die Kunst der Selbstvermarktung konnte sie zunächst bei ihrem Vater beobachten und erlernen. Giovanni Battista arbeitete in den 1520er Jahren imPalazzo Te unter Giulio Romano (1492–1546), dem ehemaligenMeisterschüler Raffaels (1483– 1520).6 Obwohl er somit an Projekten für den Hof der Gonzaga beteiligt war, war er kein Hofkünstler im engeren Sinn, der regelmäßig entlohnt wurde.7 Vielmehr musste sich Giovanni Battista stets um neue Aufträge bemühen. Seine eigenen Drucke dienten ihm dabei weniger als Einkommensquelle, sondern vielmehr als »höfische Währung«, um Aufträge zu lukrieren.8 Auch Diana, die sich ab 1575 in Rom aufhielt, nutzte diese Strategie.9 Der Architekturstich einer Volute eines ionischen Kapitells (Abb. 1) steht emblematisch für ein solches Vorgehen. Sie fügte der ornamental verzierten Volute, der außergewöhnlich viel Platz für ein architektonisches Detail beigemessen wurde, eine Inschrift in Kursivdruck hinzu. Diese Inschrift trägt eineWidmung an jene, die Architektur studieren, und nennt den Architekten √ Detail aus Kat. 11

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1