Leseprobe

64 »COSA MARAV IGL IOSA« Die beiden Kinder – samt Stieglitz und Salbgefäß auch mit dem Christusknaben assoziiert – werden oftmals als »Siamesische Zwillinge« gesehen. Laut Maria F. Maurer werden durch die Motivwahl einerseits Dianas »procreative capacities« deutlich, indem sie das Motiv Giulios adaptierte und daraus ihre eigene Kreation schuf.19 Andererseits zieht Maurer eine Parallele zwischen demMotiv des Zwillingstondo samt Kippeffekt und der Diana als Kupferstecherin im 16. Jahrhundert zugeschriebenen Rolle als »marvel«, als etwas »Wunderliches«.20 Prägend dafür ist die zweite Auflage der Viten von Giorgio Vasari, in der er Giovanni Battista Scultori und seine Tochter Diana in der Biografie von Il Garofalo erwähnte.21 Diana, die wahrscheinlich einzige Künstlerin der Viten, die Vasari auch persönlich getroffen hat, wurde von diesem als »cosa più maravigliosa« und ihre Tätigkeiten als Kupferstecherin wurden als »cosamaravigliosa« beschrieben.22 Dianas Persönlichkeit und Arbeit erfuhren also dasselbe qualitative Urteil, entsprechend der generellen Beurteilung von Künstlerinnentum als etwas nicht unbedingt Wunderbarem, sondern eher Wunderlichem, insofern es von der Norm abwich.23 Dieser Lesart folgend, sieht Maurer in Dianas Zwillingen (Kat. 12) ein Spiel mit eben dieser Zuschreibung und folgert: »By positioning herself and her prints as wonders and monsters, Diana turns Vasari’s backhanded praise to her advantage. She acknowledges her unusual situation, while also positioning herself as someone who endlessly reproduces cose maravigliose.«24 Eine Medaille mit dem Bildnis Dianas (Abb. 3) kann als Kontrapunkt zu dieser Lesart der Kupferstecherin als »marvel« gesehen werden. Sie zeigt avers ein Porträt der Künstlerin imProfil und revers ihre Hand, die den Griffel haltend ein Madonnenbildnis in die Matrize schneidet. Die Medaille wurde zusammen mit derjenigen für ihren Ehemann Francesco geschaffen, Abb. 3 T. R. (UNBEKANNT ) Medaille mit Bildnis von Diana Scultori (Avers) und ihrer Hand mit Stichel und Madonna und Kind (Revers), 16. Jh. Bronzemedaille, Dm. 40 mm, London, British Museum, Inv.-Nr. G3,IP.688

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1