101 Die aus einfachen Verhältnissen stammende Rosalba Carriera schaffte es, sich nicht nur einen Namen zu machen, sondern auch die Miniatur- und Pastellmalerei als wahre Kunstformen zu etablieren, die vom europäischen Bürgertumund Adel begehrt waren. Dies gilt insbesondere für Dresden, wo ihre zahlreichen Werke den Grundstock des königlichen Pastellkabinetts bildeten, der ersten öffentlich zugänglichen Pastellsammlung überhaupt, die von der großen Liebe Augusts III. zu dieser Technik zeugt. Man kann also davon ausgehen, dass die »Pastellmanie« des Kurfürsten und damit auch des Dresdner Hofes in der Wertschätzung der Werke Carrieras wurzelte, die es in der Folge auch anderen Künstlerinnen und Künstlern des Hofes ermöglichte, in dieser Technik erfolgreich zu arbeiten. Dies gilt gleichfalls fürTheresa ConcordiaMaron, geb. Mengs (1725–1806), die ihre Karriere als Kabinettmalerin amHof Augusts III. begann und sich in Rom zu einer sehr erfolgreichen Miniaturmalerin entwickelte. ROSALBA CARR I ERA UND DI E ERHEBUNG VON MINIATUR UND PASTELL ZUR HOHEN KUNST Die am 12. Januar 1673 als Tochter einer Klöpplerin und eines Rechtsanwalts geborene1 Rosalba hatte, anders als viele andere Künstlerinnen ihrer Zeit, keine direkte Verbindung zur Kunstwelt. Über ihre frühen Jahre ist nicht viel überliefert, sodass auch nicht bekannt ist, ob Rosalba sich das Malen selbst beigebracht hat oder unterrichtet wurde. In jedem Fall konzentrierte sie sich zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn, die um 1695 begann, auf Miniaturen.2 Sie hatte in relativ kurzer Zeit Erfolg, denn die intimen und bisweilen erotischen Darstellungen kleiner Figuren entsprachen genau dem Geschmack des Rokokos für raffinierte und zarte Gegenstände. Die Tatsache, dass Rosalba in Venedig lebte, brachte ihr zudem einen großen Vorteil: Angesichts der großen Anzahl von Reisenden in der Stadt war sie sehr gefragt, da sie ein Produkt anbot, das leicht und schnell herzustellen und zu transportieren war.3 Im Jahr 1705 wurde sie in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen. Interessant ist, dass Carriera zu diesem Zeitpunkt noch nicht für ihre Pastelle bekannt war. Erst um 1703 wandte sie sich dieser Technik zu, aber es dauerte einige Zeit, bis sie ausschließlich Pastelle verwendete. Obwohl sich seine Verwendung bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, erfreute sich das Pastell im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit; die zarten Farbmischungen und die charakteristische leichte Schattierung spiegelten den eleganten Geschmack des Rokokos und das allgemeine Schönheitsideal der höfischen Gesellschaft wider (Abb. 2). Wie die Miniaturmalerei erwies sich auch die Pastellmalerei als eine Branche, in der Frauen leicht Fuß fassen konnten, da beide Disziplinen als »weiblich« galten und nicht annähernd so akademisch waren wie beispielsweise die Historienmalerei. Da Pastelle ebenso wie Miniaturen leicht herzustellen und zu verschicken waren, eigneten sie sich ideal als Andenken an die Reise wohlhabender Personen in die Lagunenstadt. So wurde ein Besuch in Carrieras venezianischem Atelier, um sich porträtieren zu lassen, zum obligatorischen Bestandteil eines Venedigbesuchs eines jeden Adligen.4
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1