Leseprobe

116 5 MAR IA VAN OOSTERWI JCK (NOOTDORP 1630 – 1693 UI TDAM) Blumen und Schnecken um 1685 Öl auf Leinwand 72 × 56 cm Bezeichnung: signiert unten rechts: »MARIA VAN OOSTERWYCK« Provenienz: 1740 erworben durch Gerhard Morel, wohl in Antwerpen; Inv. »vor 1741«, fol. 166v, 2503; Kat. Dresden 1765, G.E. 773; Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 1334 Literatur: Gammelbo 1960, Nr. 176; Ausst.-Kat. Dresden 1983, S. 142, Nr. 117, Abb. 79; Gerson 1983 S. 239; Ausst.-Kat. Osaka/ Tokyo/Sydney 1990, S. 221; Gemar-Koeltzsch 1995, Bd. 3, Nr. 298/4; Kat. Dresden 2007, S. 393. Als der Kurfürst und König August III. im Jahr 1740 zwei Gemälde von Maria van Oosterwijck für seine Gemäldesammlung kaufen ließ, war er keineswegs der erste sächsische Monarch, der die außergewöhnliche Qualität der Stilllebenmalerei dieser holländischen Künstlerin zu schätzen wusste. Bereits mehr als 50 Jahre zuvor hatte Kurfürst Johann Georg III., der sich 1688 in diplomatischer Mission in Den Haag aufhielt, dort drei Werke Oosterwijcks für seine Kunstkammer erworben.1 Bereits mit Mitte 30 hatte die junge, auf Blumen- und kleinere Bankettstillleben spezialisierte Malerin europaweit Berühmtheit erlangt. Zu ihren Kunden gehörten unter anderem Cosimo de’ Medici und Kaiser Leopold I., später auch der polnische König Johann III. Sobieski, Ludwig XIV. sowie natürlich die Statthalter der Niederlande. Maria wuchs in einer Pfarrersfamilie auf, in einer familiären Umgebung, der mehrere Maler, Theologen und Gelehrte angehörten. Ihr erstes Atelier betrieb sie offenbar imHaus ihres Großvaters in Delft, bevor sie nach Leiden und später nach Utrecht umzog. In den fünf Jahren ihres dortigen Aufenthalts übte Jan Davidsz. de Heem, zu jener Zeit Haupt der Utrechter Stilllebenmaler, einen großen Einfluss auf sie aus. Schließlich ließ sie sich in Amsterdam nieder, wo sie eine sowohl künstlerisch als auch privat enge Freundschaft mit dem Maler Willem van Aelst verband, der zudem ihr unmittelbarer Nachbar war. Maria van Oosterwijck wies die wiederholten Offerten ihres gleichaltrigen Künstlerkollegen jedoch zurück und blieb zeit ihres Lebens unverheiratet. Allerdings spricht auch ihr Werk – heute haben sich nur etwas über 40 Gemälde erhalten – unübersehbar von ihrer engen künstlerischen Zusammenarbeit. Sowohl De Heems als auch Van Aelsts Malerei haben in Maria van Oosterwijcks Œuvre ihre Spuren hinterlassen, zum einen hinsichtlich der Motivwahl und der Komposition ihrer prachtvollen Blumensträuße und Prunkstillleben, zum anderen in ihrer stilistischen Grundhaltung. Werke wie das Stillleben Blumen und Schnecken sowie ein diesem besonders nahestehendes Blumenstillleben in Kopenhagen2 zeigen eine Dramaturgie und Lichtführung, die bei De Heem ihren Ursprung hatte. Jedoch wirkenMaria van Oosterwijcks Blumensträuße zierlicher, eleganter und dekorativer, was einem geschickten Arrangement voluminöser, repräsentativer Blumen mit kleinteilig-zarten Blüten und Gräsern sowie einer effektvolleren Lichtinszenierung zu verdanken ist. Charakteristisch für ihre Blumensträuße ist die Kombination von gezüchteten, prächtigen Blüten – etwa der Sonnenblume, des Hibiskus oder der Nelke – mit wild wachsenden Kräutern und Gräsern. So ist etwa das aus der Vase nach unten hängende, gestreifte Schilfgras eines der Markenzeichen ihrer Blumenbuketts. Zudem findet sich die leicht zur Seite gedrehte Sonnenblume als Bekrönung des Arrangements mehrfach in ihren Blumensträußen. Offenbar war man sich ihres Symbolgehalts auch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch bewusst. Als eine Blume, die mit ihremGesicht demLauf der Sonne folgt, stand sie in übertragenem Sinn zugleich für diejenigen Geschöpfe, deren Lebensweg sich in der Nachfolge Gottes und Jesu Christi gestaltet. Diese Auslegung findet sich bereits in der Emblemliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts3 und war den Mitmenschen sicherlich vertraut. Maria van Oosterwijck, die als Tochter eines Predigers als tiefgläubig und fromm beschrieben wird, orientierte sich für ihre Darstellung jedoch eher an einemVers aus demneuen Testament ( Joh 8,12). Dort heißt es: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.« | UTA NE IDHARDT 1 Gerson 1983, S. 239. Johann Georg III. erwarb »twee bloemenpotten en een feston«. Deren Verbleib ist unbekannt. 2 Blumenbouquet in einer Glasvase, sign. und dat.: »MARIA VAN OOSTERWYCK«, 1658, Leinwand, 101 × 77,5 cm, Kopenhagen, Statens Museum for Kunst, Inv.-Nr. SP. 542. 3 Vgl. Segal 1990, S. 221.

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