130 10b ANGEL I KA KAUFFMANN (CHUR 1741 – 1807 ROM) Bildnis einer Dame als Sibylle um 1781/82 Öl auf Leinwand 91 × 72,5 cm Provenienz: 1782 erworben; Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 2181 Literatur: Dassdorf 1782, S. 466; Kat. Dresden 1806, Äußere Galerie, S. 118, Nr. 310, als »Eine Sibylle Comea«; Kat. Dresden 1887, S. 679, Nr. 2181, mit falscher Annahme einer Signatur. Auch das Bildnis einer Dame als Sibylle (möglicherweise das Pendant zum Bildnis einer Dame als Vestalin) bedient dieses Bedürfnis nach antikisierenden Idealporträts. Inspiriert von Sibyllen-Darstellungen etwa vonGuercino oder auch Anton Raphael Mengs, finden die mythischen Prophetinnen, die göttliche Weisungen empfangen und wiedergeben, Widerhall im Œuvre Kauffmanns. Mit der Cumäischen Sibylle zeigt sie die bekannteste der zehn Seherinnen. Nach den Überlieferungen besaß sie neun Bücher mit Prophezeihungen, die sie dem tyrannischen römischen König Tarquinius Superbus zum Kauf anbot. Als er ablehnte, verbrannte sie drei der Schriften und offerierte die verbleibenden sechs. Erneut abgelehnt, übergab sie drei weitere Bände demFeuer. Nun erst willigte Tarquinius ein und erwarb die letzten drei zum vollen Preis. Fortan wurden diese in Rom als höchste Heiligtümer verehrt. Kauffmann stellte die junge Sibylle sitzend als Kniestück imHalbprofil dar. Über ihr helles Gewand, von einem grünen Tuch mit Goldfäden umgürtet, ist ein blauer Umhang geworfen. Ihr hochgestecktes Haar, von einem geflochtenen Zopf gehalten, wird teils von einem zum Turban gelegten grünen Kopftuch bedeckt. Ihre rechte Hand legt sie melancholisch an die Wange, der Blick geht sinnierend aus dem Bild und leicht an den Betrachtenden vorbei. Den rechten Arm stützt sie auf eine Brüstung, auf dem die Schriftrolle, die sie in der linken Hand hält, als ihr Attribut liegt. Darauf ist mit »Sybilla« deutlich – und wenigen griechischen, kein Wort ergebenden Buchstaben – geschrieben, um wen es sich bei dieser Darstellung handelt. Unklar hingegen ist, auf welchen Moment der Sibyllen-Legende Kauffmann hier Bezug nimmt. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass sich hinter diesem Historienbild ein Porträt einer bislang unbekannten Dame verbirgt. Das dritte Dresdner Kauffmann-Gemälde, das Bildnis einer Dame als Vestalin (Abb. 3, S. 81), wird sogar als ein Selbstbildnis der Künstlerin gesehen. | ROLAND ENKE
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