23 Briefen wird unter anderem ersichtlich, dass die Künstlerin mit Ende 20 bereits über ein weitgefächertes internationales Netz an Kunden verfügte, die ihre erstenWerke – Miniaturen – entweder direkt bei ihr bestellten oder sich die kleinformatigen Bildchen nach Hause schicken ließen. Doch auch in Italien und Venedig selbst konnte sie einflussreiche Freunde aufweisen.6 AntonioMaria Zanetti, der Kunst sammelte, sich als Schriftsteller und selbst als Künstler betätigte und heute vor allemwegen seiner Karikaturen bekannter Persönlichkeiten der venezianischen Kunst- und Kulturwelt berühmt ist, gehörte, wie später auch die Autorin und Übersetzerin Luisa Bergalli, zu Carrieras engen, lebenslangen Freunden und Unterstützern.7 Auch Intellektuelle wie Giovanni Battista Recanati oder Malerkollegen wie Sebastiano Bombelli, Antonio Balestra oder Giovanni Felice Ramelli zählten zu den engeren Freunden der Künstlerin und ihrer Familie. International anerkannte Stars wie die Tänzerin Barbara Campanini (s. Kat. 50) oder die Sängerin Faustina Bordoni (s. Kat. 51) entschieden sich für Carriera, um sich von ihr porträtieren zu lassen. Die erste offizielle Anerkennung ihrer Errungenschaften in der Malerei erhielt Carriera im Jahr 1705, als sie am 27. September als Miniaturmalerin offiziell in die Accademia di San Luca in Rom aufgenommen wurde. Dabei gilt es hervorzuheben, dass ihr die besondere Auszeichnung einer accademica di merito (Akademikerin aufgrund ihrer Verdienste) zugesprochen wurde anstatt der für Frauen üblicheren Stellung eines Ehrenmitglieds, accademica d’onore.8 Als Bewerbungsstück präsentierte sie nach langem Zögern eine Miniatur, die ein junges Mädchen mit einer Taube darstellt, eine Allegorie der Unschuld, wie sie in den frühen Führern der Akademie bezeichnet wurde (Abb. 2).9 Der Beginn des 18. Jahrhunderts und ihre erste Akademiemitgliedschaft fielen mit einer neuen Phase in Carrieras künstlerischer Laufbahn zusammen, in der sie die Pastellmalerei für sich entdeckte. Ähnlich der Fragestellung, wer die Künstlerin anfänglich ausgebildet hat oder wie genau sie zur Miniaturmalerei kam, kann auch die Frage danach, durch wen oder wie sie auf die Pastellkunst stieß, Abb. 2 (Kat. 31) Rosalba Carriera Mädchen mit Taube (Die Unschuld) um 1705 · Tempera auf Elfenbein · 10,5×8,5 cm Rom, Accademia Nazionale di San Luca, Inv.‑Nr. 442
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