Leseprobe

148 Als Rosalba Carriera 1697 in einem Venedigführer als Miniaturmalerin empfohlen wird, waren die Adressaten die Reisenden, die sich zu der einzigartigen Stadt in der Lagune aufgemacht hatten. Die Künstlerin war also von Beginn ihrer Karriere an ein Aushängeschild Venedigs, die die Reisenden aus den unterschiedlichsten Ländern in Miniatur-, dann in Pastellbildnissen festhielt. Sie selbst hingegen verließ ihre Heimatstadt nur sehr selten. Dies dürfte aber vor allem an den beschwerlichen Umständen des Unterwegsseins gelegen haben – sofernman nicht imTross eines Fürsten reiste –, was mit den Annehmlichkeiten des heutigen Reisens in keiner Weise zu vergleichen ist. Auch wenn es regelmäßigen Postkutschenverkehr gab, dauerte die Bewältigung längerer Streckenmehrere Tage oder garWochen. Die Gefahr von Überfällen drohte, die Verpflegung war eingeschränkt, ebenso die Übernachtungsmöglichkeiten. Es war zudem nicht üblich, dass sich Frauen alleine und ohne männlichen Schutz durch die Lande bewegten. An fehlendem Interesse oder mangelnder Reiselust Carrieras kann es jedenfalls nicht gelegen haben, wie einem von ihr um 1720 verfassten Brief zu entnehmen ist: »Ich beneide den Lebensumstand der Männer nur in einem einzigen Punkt, nämlich dass sie nach Belieben reisen können.«1 REISEN

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