236 · 150 · Rosalba Carriera Amerika (Fotografie s/w) Pastell auf Papier, 33×27 cm Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gal.-Nr. P 34: 1933, 1937 (und länger?) im Dresdner Schloss; seit 1945 vermisst Die Serie der Vier Erdteile steht stellvertretend für die Verluste, die durch Krieg und Zerstörung auch die einst so umfangreiche Kollektion an Carriera-Werken in Dresden auseinanderriss. Rosalba Carriera hat nur sehr wenige Exemplare der vier Kontinente gemalt, keine Serie erscheint heute vollständig erhalten. Die erste Version beauftragte der römische Kardinal Silvio Valenti Gonzaga um 1720 für seine umfangreiche Gemäldesammlung; dort verblieb sie bis mindestens 1777. Von der in den Details leicht abweichenden Dresdner Serie werden Europa, Asien und Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg vermisst. Immerhin haben sich Fotografien dieser Kriegsverluste erhalten. In den frühen 1920er Jahren waren diese Pastelle, wie viele andere auch, im sogenannten Vorrat in der Dresdner Galerie deponiert. 1933 kamen rund 30 Pastelle in das ehemalige Dresdner Residenzschloss, das nun als Museum genutzt wurde. Im Gelben Salon wurden sie im Rahmen der Ausstellung August der Starke und seine Zeit präsentiert, darunter waren auch die weiblichen Allegorien von Europa, Asien und Amerika. Alle zuletzt im Schloss ausgestellten Pastelle jedoch wurden 1942 in Kisten gepackt und an einen unbekannten Ort verbracht. Seitdem gibt es keine Spuren der im Gelben Salon gezeigten Werke mehr. Auch ist nicht bekannt, ob sie geraubt oder zerstört wurden. Literatur: Riedel, Wenzel 1765, S. 241; Woermann 1887, S. 764; Sani 1988, S. 299, Nr. 169; Henning, Marx 2007, Abb. S. 170; Sani 2007, S. 190f., Nr. 190b; Henning 2009, S. 320, II-5; Jeffares online, J.21.1516. · 151 · Rosalba Carriera Afrika Pastell auf Papier, 33×27 cm Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gal.-Nr. P 32 Dieses Pastell Afrika gehört mit Europa, Asien und Amerika zu einer allegorischen Folge der Vier Erdteile (P 31, P 33 und P 34 Kriegsverluste). In der Darstellungsweise der (damals bekannten) vier Erdteile folgte Carriera den tradierten Überlieferungen, wie sie etwa Cesare Ripa in seiner Iconologia 1603 als weibliche Allegorien vorstellte. Von ihm übernahm Carriera für die Figur der Afrika die Attribute Schlangen und Skorpion. Erst im Verlauf des 17. und frühen 18. Jahrhunderts hatte sich als weiteres Unterscheidungsmerkmal die Hautfarbe schwarz hinzugesellt, was auch Carriera kritiklos adaptierte. Die Darstellung Afrikas erscheint noch dunkler im Kontrast zu den weißen Zähnen, dem hellen Turban und zur leuchtenden Perle. Die Betrachtenden werden eingeladen, die Hautfarbe als Objekt des visuellen Vergnügens und der Erkenntnis zu inspizieren. Aus heutiger Perspektive erscheint die Darstellung der schwarzen Haut als Objekt des ästhetischen Genusses fragwürdig, trotz der – in Anlehnung an die anderen Kontinente – mit rotem Puder geschminkten und Halsketten geschmückten Figur. Anders als die Verkörperungen von Europa, Asien und Amerika kam Afrika 1933 – wohl schon aus rassistischen Gründen im Nationalsozialismus – nicht zur Ausstellung im Dresdner Residenzschloss. Vermutlich ist es dieser Tatsache zu verdanken, dass diese Allegorie den Krieg unbeschadet überlebte, da sie bereits seit einigen Jahren in Schloss Weesenstein ausgelagert war. So kündet heute nur der Kontinent Afrika von der seltenen ErdteileSerie Carrieras. Literatur: Riedel, Wenzel 1765, S. 241; Woermann 1887, S. 764; Sani 1988, S. 299, Nr. 171; Henning, Marx 2007, Abb. S. 33; Sani 2007, S. 190f., Nr. 190 d; Henning 2009, S. 301, I-22; Wunsch 2020; Jeffares online, F.21.1501; vgl. Ripa 1603, S. 332–339; vgl. die Gonzaga-Serie: Morselli-Vodret 2005, S. 313, 363, Nr. 438– 441. · 152 · Rosalba Carriera Klio, die Muse der Geschichte Pastell auf Papier, 62,5×50 cm Privatbesitz Ehemals Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gal.-Nr. P 35 Rückseite Kassette Dreikönigenzettel (1a, mT) Dieses Pastell wurde im Juni 1924 zusammen mit Gal.-Nr. P 42 und P 120 verkauft, um den Erwerb von Max Liebermanns Gemälde Geschwister (Gal.-Nr. 2457 F) von dem Berliner Kunsthändler Carl Nicolai zu finanzieren. Das Pastell wurde privat erworben und befindet sich bis heute, mit dem originalen Rahmen, in Familienbesitz. Nachdenklich blickt die junge Frau aus dem Bild. Während die linke Schulter noch mit einemMantel bedeckt ist, ist das Hemd über die rechte gerutscht und entblößt ihre Brust. Der Lorbeerkranz in ihrem Haar weist sie als eine der neun Musen aus, Töchter der Mnemosyne und des Zeus. Hier ist die antike Papyrusrolle dem zeitgemäßeren Attribut des geöffneten Buches gewichen, das Klio, die Muse der Geschichte, mit der Feder füllt. Ihre Aufzeichnungen geben uns Einblick in die Vergangenheit. Während hier Klio als Patronin der Historikerzunft dargestellt ist, firmiert ein ähnliches Pastell etwa gleicher Größe in der Kunsthalle Karlsruhe unter dem Titel Die Poesie (Inv.-Nr. 674). Das Pastell steht exemplarisch für die vielen Verkäufe, die vornehmlich in den 1920er Jahren stattfanden. Es wurde mit zwei weiteren Werken Carrieras verkauft, um im Berliner Kunsthandel von Carl Nicolai das Gemälde Geschwister (Spielende Kinder) des Berliner Impressionisten Max Liebermann von 1876 zu erwerben; dieses befindet sich heute in der Dresdner Sammlung der Galerie Neue Meister/Albertinum. 1924 abgegeben, kehrt das Pastell von Carriera nach fast 100 Jahren für kurze Zeit wieder an seinen historischen Ort zurück. Literatur: Riedel, Wenzel 1765, S. 239; Woermann 1887, S. 764; Sani 1988, S. 319, Nr. 322; Sani 2007, S. 328–331, Nr. 373; Henning 2009, S. 330, III-7; Jeffares online, J.21.0689.
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