17 1848– 1876 fenster die Statuengruppe des mit einem Delfin verschlungenen Amors, ein Abguss nach dem Original der Sammlung Farnese in Neapel. Die Raummitte füllt eine breite Tischreihe, auf der Korkmodelle nach antiken Bauwerken und über 300 Vasen in einer so dicht gedrängten Formation stehen, dass die Beschauenden sich nur wie »im vorsichtigen Gänsemarsch«17 auf den Rundgang begeben können, um nicht die seltene Vase mit Darstellung des etruskischen Dämons Charun (siehe Abb. 1 auf S. 70) vom Tisch zu reißen. Die Platznot konnten auch die 1851 angebauten Seitenflügel sowie 1853 der Auszug des Kustoden Dietrich (der hier kostenlos wohnen durfte) nicht zufriedenstellend lösen. Die ersten Besucher von Lindenaus Museum »Auch der Unterzeichnete bewunderte die reich vereinten erhabenen Kunstwerke und den edlen Sinn des Gebers«, hält ein Besucher aus Dresden im September 1853 fest.18 Als erste Einträge finden sich im Fremdenbuch unter dem 7. März 1849 der Erbgroßherzog von Oldenburg in Begleitung des regierenden Altenburger Herzogs Georg, gemeinschaftlich mit Georgs Bruder, dem im Zuge der Revolution abgedankten Herzog Joseph. Der liberale Weimarer Erbgroßherzog Carl Alexander folgte als nächstes fürstliches Autograf unter dem 12. April. Am 12. Juli beehrten auch seine Eltern, das Weimarer Großherzogspaar Maria Pawlowna und Carl Friedrich, das Museum mit ihrem Eintrag.19 Doch das Mittelgebäude des Pohlhofs war kein Museum nur für Adel und Fürsten. Ganz in Lindenaus volksbildendem Sinne kamen die Besucher vor allem aus der bürgerlichen Mittelschicht. So hätte man damals durchaus den Leipziger Kaufmann Körmes, den Zschopauer Tuchfabrikanten Barth, den Professor an der Lateinschule Pirmasens Luckner, den Altenburger Bäckermeister Mohrmann oder den Hofhutmacher Pabst beim Rundgang durch die Säle antreffen können.20 Bei den öffentlichen Führungen waren Damen keinesfalls in der Minderheit; im Jahr 1856 waren erstmals mehr Damen unter den Besuchern. Heute willkommen und durch die reichhaltigen Vermittlungsangebote eine der wesentlichen Zielgruppen des LindenauMuseums, sind Kinder in den Anfangsjahren vom Besuch des Museums am Pohlhof noch ausgeschlossen.21 Viele Besucher kamen in der Pohlhofzeit des LindenauMuseums – nicht anders als heute – in Gruppen angereist, so etwa gemeinschaftlich aus Dresden der Landeszahlmeister Kost zusammen mit dem Faktor Teichert von der Königlichen Porzellan-Niederlage, dem Kellereiverwalter Scharf, dem Kultus-Ministerial-Registrator Assmann und dem Salzverwalter König.22 In großer Zahl kam auch der Leipziger Kunstverein zur Besichtigung.23 Einmal fand sich die juristische Gesellschaft Iduna aus Leipzig mit einem Eintrag im Fremdenbuch.24 Auf dem Gebiet der Kunst- und Altertumswissenschaften birgt das Fremdenbuch des Pohlhof-Museums bedeutende Thüringer Autografen wie etwa 1849 den Direktor der Weimarer Kunstanstalten Adolf Schöll, der sich zusammen mit dem Leiter der Großherzoglichen Bibliothek Ludwig Preller eintrug.25 Der Jenaer Altphilologe Karl Wilhelm Göttling, Mitarbeiter an der Goethe’schen Werkausgabe letzter Hand und Begründer der Antikensammlungen der Universität Jena, besuchte das Museum zusammen mit 31 Kollegen anlässlich der in Altenburg stattfindenden Verhandlungen der 14. Versammlung Deutscher Philologen, Schulmänner und Orientalisten am 26. September 1854,26 wobei sein Hauptaugenmerk wohl auf den antiken Vasen geruht haben mag, mit deren sich seine Jenaer Sammlung eine verwandte Provenienz teilte. Unter den Thüringer Künstlern, die den Pohlhof beehrten, sind folgende hervorzuheben: 1850 der Gemälderestaurator und Lehrer an der Weimarer Zeichenschule William Kemlein27 und 1851 der seinerzeit in Rom sesshafte Aquarellmaler Carl Werner, Enkel von Goethes Schauspieltalent Christiane Becker-Neumann.28 Lindenaus Lebensabend zwischen Sammlungen und Kunstschule »Dankbar gegen Gott [. . .] manche Vorbereitung zur Vervollständigung der Sammlungen des Mittelgebäudes ermöglicht zu haben«, heißt es resümierend in Lindenaus Tagebuch am Silvestertag des Jahres 1853.«29 Über die letzten Tage jenes Jahres sind wir gut informiert. Für die Schüler der dem Museum angeschlossenen Kunstschule soll der diesjährige Unterricht mit dem 21. Dezember »seine Endschaft erreichen und die Schüler eingeladen werden, sich zum Behuf der Preisvertheilung am 31. vormittags 11 Uhr im Kuppelsaal einfinden zu wollen«.30 Am Heiligabend 1853 traf schließlich ein schon verloren geglaubter Kunst- 1 Raumskizze von Bernhard August von Lindenaus Hand auf einem Briefentwurf an Johann Gottlob von Quandt, 1847 √
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