Leseprobe

54 Unterricht ertheilen, so würde wohl dieser Zweck erfüllt seyn. Ich bemerke nur noch, daß man zum Nachzeichnen die vorzüglichsten Muster der Ornamente und Gefäße, sowohl der griechischen, römischen, als auch besonders der deutschen Kunst wählen sollte; es sei nun in Zeichnungen und Kupferstichen, oder auch vorzüglich in Gypsabgüssen [. . .]. Denn nur durch Muster, die in Zeiten der Bildung und höchster Blüthe der Kunst und vor dem Verfall derselben entstanden sind, wird der Sinn für einen besseren Geschmack der Formen gebildet.«8 Passavants Anforderungen an eine Zeichenschule lesen sich wie die spätere Umsetzung Lindenaus im Pohlhof. Zwei Institute werden Lindenau unmittelbar bei seinem Pohlhof-Projekt inspiriert haben: Neben der Akademie der Bildenden Künste in Dresden ist hier zunächst das Städelsche Kunstinstitut zu erwähnen, dessen Anfänge Lindenau als Bundestagsgesandter in Frankfurt Ende der 1820er Jahre beobachtet haben wird und mit dessen späterem Inspektor, Passavant, Lindenau (zumindest über Kunsterwerbungen) eine intensive Korrespondenz führte. Auch gab es am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt die gleichen Elementarklassen wie später in Altenburg: Modellieren, freies Handzeichnen und architektonisches Zeichnen. Die von Städel angestrebten Ziele einer »Veredlung des Handwerks, der Entwicklung technischer Fertigkeiten und des künstlerischen Geschmacks«9 entsprachen Lindenaus Wunsch einer »Vervollkommnung des technisch-gewerblichen Antriebs«10 durch künstlerische Bildung. Im Unterschied zu Frankfurt, wo man durch die Anstellung berühmter zeitgenössischer Maler als Lehrer bestrebt war, auch mit den großen Kunstakademien mitzuhalten, war Altenburg ganz auf die eleSchüler der Akademie zu Dresden auch über Knochen- und Muskellehre, Perspektive, die Lehre von Licht und Schatten und in der Übung am lebenden Modell unterrichtet wurden, wie es Lindenau für Dresden vorgesehen hatte, ist nicht bekannt. Lindenaus Schwerpunkt in der Behandlung von Abgüssen schilderte er selbst 1848 in einem Brief an den Leiter der Gipsformerei des Louvre Jacquet, in dem er seine Sammlung als weniger für den Kenner und den Wissenden, sondern vielmehr für den Amateur und für Lektionen im Zeichnen beschrieb.14 Selbst war Lindenau ein kunstgeschichtlicher Laie, nur ein Liebhaber, der bedauerte, dass in seiner eigenen Erziehung kaum eine Spur von Archäologie vorkam, während sie nun, Mitte des 19. Jahrhunderts, in aller Munde war.15 Das Jahr 1923 brachte das vorläufige Ende der Lindenau’schen Lehranstalt. Die Inflation hatte das gesamte Stiftungsvermögen entwertet. Seit 1971 wird am LindenauMuseum an die große Tradition seiner Kunstschule mit dem Studio Bildende Kunst (seit 2022 studio im Lindenau-Museum) angeknüpft. Dank des von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderten Projekts Lindenau21PLUS konnte die Kurspalette hier seit 2022 deutlich erweitert werden. So eröffneten neben dem bereits existierenden GRAFIKstudio und dem KERAMIKstudio nun auch die Holzwerkstatt studioLEONARDO, das studioDIGITAL mit Angeboten im Bereich Film, Fotografie und Sound und die Kinderkunstwerkstatt, das studioBAMBINI. mentare Förderung ausgerichtet. Und Lindenau warnte: »Nur möchte ich denen, die sich ausschließlich der Kunst widmen wollen, die Warnung zurufen; ihre Kräfte und ihr Talent, sorgsam zu prüfen, ehe der Beschlus [sic!] einer schönen-reizenden aber auch müh und dornenvollen Laufbahn gefaßt würde.«11 Leider sind aus der Frühzeit der Lindenau’schen Kunstschule keine sicher als Schülerarbeiten zu identifizierenden Stücke mehr erhalten, aus denen die Qualität des Unterrichts ablesbar wäre. Und auch die Organisation der Lehre liegt weitestgehend im Dunkeln. Es ist unwahrscheinlich, dass es wie beim Städel oder den Kunstakademien aufbauende Klassen oder gar eine eigene Meisterklasse gab. Durch die revolutionär aufgeheizten Jahre und Lindenaus Erfahrung als Politiker sollte seine Schule darüber hinaus auch erreichen, dass die Jugendzeit mit dem Streben nach Kunst und Wissenschaft ausgefüllt sein möge, nicht mit politischem Aktionismus.12 Bereits in seiner Zeit als Sächsischer Staatsminister in Dresden (1829–1843) sollte Lindenau sich wohltätig auf dem Feld der Kunstbildungsförderung beweisen können, mit der Reform der Akademie der Bildenden Künste, die er forcierte. Wie später bei seinem eigenen Projekt – dem Pohlhof – beschränkte sich Lindenau nicht darauf, die Finanzierung der Akademie umzustrukturieren, sondern fasste sogar den Lehr- und Stundenplan der Akademieschüler selbst ab.13 Trotz Ermangelung eines für den Pohlhof erhaltenen Lehrplans ist bei Lindenau, der übrigens die besten Schülerarbeiten selbst prämierte, durchaus davon auszugehen, dass er gleiches für seine eigene Kunstschule tat. In Dresden legte Lindenau den Schwerpunkt auf den Unterricht in der Abgusssammlung. Das ist ebenso für den Pohlhof wahrscheinlich, dessen Sammlungen von den Abgüssen dominiert wurden; inwieweit die Schüler des Pohlhofs wie die

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