1848– 1876 m 12. November 1847 berichtete der Dresdner Maler Louis Castelli Bernhard August von Lindenau in einem Schreiben von der Fertigstellung einer Kopie nach Raffaels Sixtinischer Madonna: »Euer Excellenz! Habe ich die Ehre ergebenst anzuzeigen, daß ich nun die Rafaelische Copie glücklich vollendet habe [. . .].«1 Wann genau Lindenau die Nachbildung in Auftrag gegeben hat, ist nicht eindeutig überliefert. Gesichert ist jedoch, dass Castelli die Arbeit zwei Monate zuvor, im September 1847, offensichtlich nach längerer Wartezeit begonnen hatte. Vorher war der Platz vor dem Originalgemälde in der Galerie von einem anderen Maler besetzt gewesen, der sich »mit seiner Copie herum geplagt« hatte.2 Solche Wartezeiten waren nicht ungewöhnlich, da in fast jeder öffentlich zugänglichen Sammlung bei der Galerieleitung eine Kopiererlaubnis eingeholt und der Platz vor dem Original reserviert werden mussten. Gerade für die Arbeit vor besonders bedeutenden und beliebten Gemälden wie der Sixtinischen Madonna existierten zum Teil lange Wartelisten.3 Für Bernhard August von Lindenau kam die Fertigstellung der Kopie genau zur richtigen Zeit, denn im November 1847 hatte er den Altenburger Bürgern in einer Bekanntmachung mitgeteilt, dass er beabsichtigte, ein Museum mit angeschlossener Kunstschule zu gründen.4 Fester Bestandteil dieser Einrichtung sollte eine Kopiensammlung nach berühmten Meisterwerken der italienischen Renaissance bis hin zum Barock sein, die den Besuchern die Leistungen und Besonderheiten dieser Kunstepochen veranschaulichen sollte.5 Die Kopie der Sixtinischen Madonna von Louis Castelli war, wie die meisten Nachahmungen der Sammlung, im 19. Jahrhundert angefertigt und direkt von Lindenau beauftragt worden. Auch in anderen Punkten ist sie exemplarisch für viele Nachbildungen der Sammlung. So geben die meisten verifizierten Kopien ein Original von Raffael wieder und zeigen ein religiöses Sujet.6 Castellis Nachahmung der Sixtinischen Madonna ist als »treue« Kopie um eine größtmögliche Ähnlichkeit mit dem Original bemüht.7 Diese angestrebte Ähnlichkeit bezog sich im besten Fall nicht nur auf die Wiedergabe der Komposition, der Figuren und Details, sondern auch auf den Stil des nachzuahmenden Künstlers. Castelli, der viele Werke Raffaels auf einer Italienreise 1835 studieren konnte, gelang dies außerordentlich gut, was sich insbesondere in der Wiedergabe der feinen Gesichtszüge der Madonna und des Christuskindes erkennen lässt. Der augenfälligste Unterschied zwischen Kopie und Original ist die um circa ein Drittel verkleinerte Größe. Dieser Umstand lässt sich auf die Kopierordnung in Dresden zurückführen, die es strikt untersagte, Nachbildungen in Originalgröße anzufertigen.8 Dass Castellis Kopie der Sixtinischen Madonna heute im Lindenau-Museum Altenburg zu sehen ist, verdankt sie einigen glücklichen Fügungen. Denn wie die meisten Nachbildungen, die sich ehemals in der Sammlung befunden haben, wurde auch die Kopie der Sixtinischen Madonna 1968/69 in den Kunsthandel gegeben.9 Von den fast 200 Nachahmungen,10 die auf diesemWege die Sammlung verließen, sind die Louis Castelli, Sixtinische Madonna nach Raffael, 1847 Ilka Voermann A
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