345 1990–2023 Silvia Schmitt-Maaß n einem der ersten großen Ausstellungsprojekte nach der Wiedervereinigung stellte das Lindenau-Museum 1991 in Altenburg und in Ludwigshafen Junge Leipziger Kunst aus.1 Präsentiert wurden Werke von Andreas Hanske, Kaeseberg, Katrin und Michael Kunert sowie Arbeiten von Olaf Nicolai und Neo Rauch. Der Fokus auf das Kunstzentrum Leipzig war am Lindenau-Museum durch den Umstand befördert, dass Altenburg zwischen 1952 und 1990 zum Bezirk Leipzig gehörte. Hatte sich das Lindenau-Museum Altenburg in der DDR als offenes Haus für neue Kunst etabliert, so zeigte das Ausstellungsprojekt deutlich, dass das Haus auch nach der politischen Wende an diese Entwicklung anknüpfte. Dies manifestierte sich nicht zuletzt auch in den Erwerbungen. So kaufte das Lindenau-Museum kontinuierlich weiter Werke von Künstlern der Gruppe »Clara Mosch«.2 2008 wurden zudem 10 000 Negative des Fotografen Ralf-Rainer Wasse in den Bestand aufgenommen, der die Künstlergruppe dokumentiert und zugleich für die Staatssicherheit beobachtet hatte.3 »Nicht alles konnte vollendet werden.«4 Bereits 1990 wurden Pläne erstellt, um die seit vielen Jahren notwendigen Sanierungsarbeiten durchzuführen. Dank einer sehr hohen Förderquote konnten ab 1991 grundlegende Arbeiten am Museumsgebäude in Angriff genommen werden. Erneuert wurden Dach und Oberlichtverglasung, Heizungsanlage, Außenputz und Anstrich des Museumbaus sowie alle Fenster im zweiten Obergeschoss. Innen wurden nach Entfernen von neuzeitlichen Zwischenwänden die ursprüngliche Raumgestaltung rekonstruiert und das Gemäldedepot ausgebaut, sodass auch die Abgusssammlung wieder integriert und Lindenaus Kunstbibliothek neu eingerichtet werden konnten. Des Weiteren wurden die Kellerräume mit einer Tischlerwerkstatt, einer Buchbinderei und einem Lager ausgestattet. Die Renovierung des Treppenhauses bot den Mitarbeitern Gelegenheit, einen kurzen Blick auf die Wandmalereien Ernst Müller-Gräfes zu werfen. Auch konnte die Grafische Sammlung endlich mit einer »Hebelschubanlage«5 ausgestattet werden. Die Sanierung der Terrasse und die Gestaltung der Außenanlagen zog sich schließlich bis Mitte der 2000er Jahre hin. Zwangsläufig behinderten die Arbeiten den Museumsbetrieb erheblich: Viele Ausstellungen mussten »in den jeweils fertiggestellten oder in noch nicht sanierten Räumen«6 präsentiert werden, und die Grafische Sammlung war wiederholt gezwungen, innerhalb des Gebäudes umzuziehen. »Nachholbedarf« für Ost und West: von Altenbourg bis Warhol! Neben diesen Schwierigkeiten waren die ersten Jahre nach der Wende von einer kreativen Atmosphäre und großer Euphorie geprägt. Den »Nachholbedarf für Kunst aus dem Westen wie aus dem Osten [. . .] und Präsentation neuer Medien«7 suchten die Mitarbeiter des Lindenau-Museums Altenburg zu stillen. Nachdem einige Künstler die ehemalige DDR verlassen hatten oder nicht (ausreichend) berücksichtigt worden waren, konnten sie nun neben internationalen Größen wie Andy Warhol gewürdigt werden.8 Weitere Highlights waren Werke aus der Sammlung Lichtenstein, Göpfersdorf (1991), sowie die Ausstellungen Jochen Gerz. Life after Humanism (1993) und Sammlers Blick (1994). 1997/98 präsentierte der in Leipzig geborene Lutz Dammbeck das auf Erzählungen Heiner Müllers basierende Herakles Konzept, ein Gesamtkunstwerk aus verschiedensten Techniken und Materialien, mit welchem er durch Deutschland tourte.9 Hartwig Ebersbach, ein Schüler von Bernhard Heisig, präsentierte in Altenburg 2001 dagegen Haruspex. Der Eingeweide Schauer,10 um mit expressiver Malerei antike Praktiken des Wahrsagens zu reflektieren. Weiterhin sind Ausstellungen und Publikationsprojekte zu Gerhard Altenbourg, Peter Schnürpel, Thomas Ranft, Carlfriedrich Claus und Michael Morgner hervorzuheben.11 I
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