Leseprobe

347 1990–2023 1995/96 erinnerte das Museum in Kooperation mit dem Stadtmuseum Dresden und der Städtischen Galerie Albstadt an das druckgrafische Werk von Peter August Böckstiegel, der wie Jacob zur zweiten Generation der Expressionisten gerechnet wird.19 Der 1994/95 gelungene Ankauf der Sammlung von druckgrafischen Mappenwerken aus dem Besitz von Alfred Hoh, unter anderem finanziert durch die Sparkassen-­ Kulturstiftung Hessen-Thüringen, den Freistaat Thüringen und die Kulturstiftung des Bundes, war ein Meilenstein in der Geschichte des Hauses. Seitdem besitzt das Museum einen der international umfangreichsten Bestände spätexpressionistischer und neusachlicher Grafik.20 1999 kuratierte Andreas Hüneke für das Lindenau-Museum aus diesen Beständen die Ausstellung »Dostojewski ist mein Freund« (Max Beckmann, Herbst 1914). Graphiken, Gemälde und Buchillustrationen zu Dostojewski in der deutschen Kunst zwischen 1900 und 1950, denn »der Name des russischen Dichters [Fjodor Michailowitsch Dostojewski] stand auffallend oft auf den Mappen oder einzelnen Blättern daraus«.21 Auf den bereits in den 1950er Jahren für das Museum getätigten Kauf von fünf Bauhaus-Mappen durch Hanns-Conon von der Gabelentz, die zwischen 1921 und 1923 unter dem Titel Neue Europäische Graphik erschienen, machte 2019 schließlich die Ausstellung Das Bauhaus – Grafische Meisterwerke von Klee bis Kandinsky aufmerksam: »Unter den von [Walter] Gropius [zur Teilnahme an den Ausgaben] eingeladenen Künstlern befanden sich neben den Lehrern am Bauhaus – Feininger, Itten, Klee, Marcks, Muche, Schlemmer, Schreyer und der 1922 dazu gestoßene Kandinsky [. . .] – auch die Hauptvertreter der 1913 aufgelösten Künstlergruppe ›Die Brücke‹ [. . .] sowie [. . .] ehemalige Künstler des ›Blauen Reiter‹.«22 Der Bestand, der nur in sehr wenigen Museen vollständig erhalten ist, wurde im Bauhaus-Jahr 2019 mit überwältigender Besucherresonanz als eine der letzten Ausstellungen vor der umbaubedingten Schließung des Lindenau-Museums gezeigt. Viva Italia! Der im Lindenau-Museum Altenburg häufig anzutreffende Italienbezug ist durch den historischen Sammlungsschwerpunkt begründet. Entsprechend wurden verschiedene Veranstaltungen konzipiert, wie beispielsweise Via Italia I – Italienreisen im 18./19. Jahrhundert. 1991 war ein erster Schritt in diese Richtung. Im April 1993 konnte die neue Dauerausstellung der italienischen Tafelbilder eröffnet werden, nachdem im Jahr zuvor Via Italia II – Malerei, Grafik, Objekte, Installationen gezeigt worden war.23 Erstaunlich ist, dass trotz Alleinstellung und herausragender und international anerkannter Bedeutung der Sammlung in Altenburg in der Vergangenheit kaum Mittel für die kontinuierliche restauratorische und kunstwissenschaftliche Betreuung der Bestände zur Verfügung gestellt wurden.24 Über Projektmittel wurden aber freiberufliche Gemälderestauratoren beauftragt, einzelne Werke der frühitalienischen Tafelmalerei zu untersuchen. Dies geschah etwa im Rahmen des Programms Konservierung und Restaurierung von mobilem Kulturgut der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder mit acht römischen Groteskenbildern, den Tafelbildern Die Margarethe von Antiochia und Der Heilige Franziskus von Siena des Pietro Perugino, fünf Predellentafeln von Luca Signorelli sowie einer Cassone-Tafel.25 Gemeinsam mit internationalen Fachkollegen konnten die Kunsthistorikerin Barbara John und der Restaurator Holger Manzke ermitteln, dass mehrere Tafelbilder in Altenburg, Paris, Princeton, Siena und Utrecht ursprünglich Teil des Hauptaltars im Dom zu Siena waren (Abb. 1). Die Ergebnisse ihrer Forschungen wurden im Jahr 2000 in einer beeindruckenden Rekonstruktion im Lindenau-Museum gezeigt.26 Umgekehrt wurden infolge der politischen Wende 1990 zunehmend Werke aus dem Lindenau-Museum Altenburg als Leihgaben für Ausstellungen in Westdeutschland und Europa angefragt. 2005 wurden 26 florentinische Tafelbilder an das Museum im Kloster San Marco, Florenz, ausgeliehen.27 2008 eröffnete mit Unterstützung des Lindenau-Museums die Ausstellung Maestri Senesi e Toscani nel Lindenau-Museum di Altenburg in der Pinacoteca Nazionale in Siena.28 2009 gingen zusätzliche Leihgaben an das Musée Jacquemart-André in Paris: De Sienne à Florence – Les Primitifs Italiens. Collection d’Altenbourg.29 Der Fokus auf die Kunst Italiens wurde mit der Ausstellung Bella Italia auf aktuelle Kunstströmungen erweitert, indem über 100 Werke italienischer Meister der Gegenwartskunst – »Kunst von Außenseitern, [. . .] naive Malerei«30 – aus der Sammlung Egon Hassbecker im Lindenau-Museum Altenburg gezeigt wurden.

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