Leseprobe

430 1845/46 Bernhard August von Lindenau lässt auf dem Altenburger Pohlhof Wirtschaftsgebäude abreißen und auf dem frei gewordenen Platz nach Plänen des Leipziger Baumeisters Albert Geutebrück (1800–1868) ein Museumsgebäude errichten. 1847 Die Dresdner Kunstkenner Johann Gottlob von Quandt (1787–1859) und Heinrich Wilhelm Schulz (1808–1855) sind im November in Altenburg, um die Kunstgegenstände im Pohlhof-Museum zu ordnen. Sie erarbeiten ein Verzeichnis der Originalgemälde und Kopien. Die antiken Vasen stellt Lindenau selbst auf Tischen auf. Am 16. November teilt Lindenau im Sachsen-Altenburgischen Nachrichtenblatt mit, dass ab 1848, im Zeitraum vom 1. April bis zum 1. November, seine Sammlung besichtigt werden könne und ab 1. Januar 1848 im Mittelgebäude des Pohlhofs unentgeltlicher Unterricht im Zeichnen und Modellieren erteilt werde. 22 Kisten mit Gipsabgüssen treffen aus Rom in Altenburg ein. 1848 Am 4. Januar werden die ersten Schüler in die Museumsschule aufgenommen. Der zum Professor ernannte Altenburger Maler Erdmann Julius Dietrich (1808–1878) wird Kustos der Sammlung und Leiter der Museumsschule. Er unterrichtet im freien Handzeichnen, Hofbildhauer Emil Hesse im Modellieren und der herzogliche Bauinspektor Friedrich Sprenger (1807–1886) im architektonischen Zeichnen. Die Sammlungen sind für Besucher zugänglich. Lindenau vertritt als zweiter Deputierter das Herzogtum Sachsen-Altenburg in der Frankfurter Nationalversammlung. Vom 18. Mai bis zum 18. September hält er sich in Frankfurt am Main auf. Im Juli treffen drei Kisten mit Abgüssen aus Paris ein. Lindenau erwirbt die Vedute di Roma und Antichità Romane von Giovanni Battista Piranesi. Als Ersatz für das Aktzeichnen, das im Unterricht an der Museumsschule nicht vorgesehen ist, werden zur Anschauung Modelle menschlicher Gliedmaßen angeschafft. 1849 Das Fremdenbuch des Museums weist als ersten Eintrag am 7. März den Besuch des Erbgroßherzogs Peter von Oldenburg aus, der vom regierenden Herzog Georg von Sachsen-Altenburg begleitet wird, sowie dessen im November 1848 als Regent zurückgetretenen Bruder Joseph und den Altenburger Kronprinzen Ernst. Zu den frühesten Besuchern gehört auch der Leipziger Bürgerschuldirektor Karl Vogel, dessen Schule das ebenfalls 1848 neu eröffnete Leipziger Städtische Museum der bildenden Künste provisorisch beherbergt. Emil Braun (1809–1856), Sekretär des Deutschen Archäologischen Instituts in Rom und Vermittler zahlreicher Ankäufe, besucht Lindenau in Altenburg. 1850 Emil Braun sendet im Juni vier Kisten mit Kopien, Modellen und Gipsen ab, die am 30. September in Altenburg ankommen. Im Dezember erwirbt er für Lindenau unter anderem die drei Predellentafeln von Guido da Siena. Der Archäologe Karl Bernhard Stark (1824–1879) berichtet im Deutschen Kunstblatt erstmals über die Lindenau’schen Sammlungen. 1851 Da sich das neue Museumsgebäude bereits als zu eng erweist, plant Lindenau Anbauten an das Erdgeschoss und erteilt den Auftrag zur Ausführung erneut an Albert Geutebrück. Dieser schlägt den Leipziger Archäologen Otto Jahn (1813–1869) als künftigen Bearbeiter der Sammlungen vor. Lindenau reist nach Berlin, um unter anderem die Gemäldegalerie und das Neue Museum auf der Museumsinsel zu besuchen, dessen erste Räume gerade eröffnet worden waren. Karl Michael Schirmer (1808–1876) restauriert in Dresden die drei Tafeln von Guido da Siena. Im März kommen drei Kisten mit Gipsreliefs aus Wien an. Außerdem treffen aus mehreren Orten Gemäldekopien ein. In Dresden erwirbt Lindenau 28 Kupferstiche. Aus der Sammlung Weiß in Dresden werden zwei italienische Gemälde erworben. 1852 Weitere Gemäldekopien und Kupferstiche werden geliefert. Aus Rom treffen neun Kisten mit überwiegend Abgüssen ein. Der Bildhauer Friedrich Drake (1805–1882) stellt im September den Abguss seiner monumentalen Vase zu den vier Menschenaltern persönlich im Pohlhof auf. 1853 Am 14. April findet die erste öffentliche Führung im Museum auf dem Pohlhof statt. Sie wird von da an wöchentlich wiederholt. Lindenau kauft aus der Sammlung des Malers Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788– 1868) neben Antiken, Stichen nach Raffael und nach altflorentinischen Meistern vier Miniaturen als Werke aus der Schule Jan van Eycks. Carl Graeb (1816–1884) sendet aus Berlin seine Ansicht von Athen aus der Zeit des Perikles. Aus Berlin, Frankfurt am Main, Paris und Rom treffen Sendungen mit Abgüssen und Kopien ein. Zu Weihnachten kommen aus Italien sechs altitalienische Tafelbilder. Als Kopisten sind für Lindenau vor allem die heimischen Maler Erdmann Julius Dietrich, Franz Kießling (1811–1858) und Karl Moßdorf (1823–1891) tätig. 1854 Im Auftrag Lindenaus richtet Baumeister Heinrich Schmidt ein Bibliothekszimmer für die Kunstschule im Kuppelraum des PohlhofMuseums ein. Neun Kisten mit Abgüssen treffen aus Paris ein, aus Italien neben Abgüssen und Kopien noch einmal sechs italienische Tafelbilder. Lindenau bestellt und empfängt Abgüsse ihrer Werke zunehmend auch von zeitgenössischen Bildhauern wie Bertel Thorvaldsen, Ludwig Schwanthaler, Christian Daniel Rauch oder Ernst Rietschel. Auf diplomatischemWeg, zum Beispiel über Prinz Albert von SachsenCoburg und Gotha, Prinzgemahl der englischen Königin Viktoria, versucht er, auch Abgüsse von ausländischen Künstlern zu erlangen. Am 21. Mai stirbt Bernhard August von Lindenau auf dem Pohlhof. Testamentarisch vermacht er seine Kunstschätze, verbunden mit einem Legat von 60 000 Talern, dem Herzogtum Sachsen-Altenburg mit der Maßgabe, sie als unveräußerlich unter dem Namen »Lindenau-Zach’sche Stiftung« zu verwalten – in Erinnerung an seinen väterlichen Freund Franz Xaver von Zach (1754– 1832), aus dessen ererbtem Vermögen er einen großen Teil seiner Kunstankäufe bestritt. Im September berichtet der namhafte Antikenkenner Eduard Gerhard (1795– 1867) im Archäologischen Anzeiger ausführlich über die Sammlung Lindenaus. Chronologie des Lindenau-Museums Für die Jahre bis 1998 zusammen- gestellt von Ruth Gleisberg, überarbeitet und fortgeführt von Sarah Kinzel, Anna Lutz, Susanne Reim, Steven Ritter und Benjamin Spira

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1