43 Überlegene Technik könnte zum Angriff verleiten, Arglose könnten wehrlos sein, verschlagene Feinde könnten sich Hintertüren offenhalten – die suggestive Kraft der Technologie verleitete zu einem Diskurs im ewigen Konjunktiv. Oder, in zulässiger Überspitzung, zur Kapitulation politischen Denkens. Dafür steht die nimmermüde, noch heute aktuelle »Ein-Prozent-Doktrin«. Ihr zufolge ist davon auszugehen, dass minimale Risiken sich jederzeit zu maximalen Gefahren auftürmen können. Folglich muss man das zu einem Prozent Mögliche stets für das zu 100 Prozent Wahrscheinliche halten, also Schaden abwehren, bevor er überhaupt eingetreten ist. Damit ließen sich allerlei Szenarien und Empfehlungen rechtfertigen, nicht zuletzt der Präventivkrieg, um einen Feind im Verdachtsfall am Einsatz seiner tödlichsten Waffen zu hindern. Dieser Vorschlag kam bekanntlich nie zum Zuge. Stattdessen kaprizierten sich die USA und die UdSSR auf eine Permanent Preparedness, auf die Mittel und Bereitschaft für einen Krieg aus dem Stand. Faktisch ging es um militärische Dominanz. Zwar wussten die Atommächte, dass sie mit stumpfen, unbrauchbaren Waffen hantierten. Wer gegen einen nuklear gerüsteten Feind zu Felde zieht, geht das Risiko der Selbstvernichtung ein. Zumindest in diesem Punkt stimmten alle Staats- und Regierungschefs seit 1945 überein. Nicht umsonst warnten Dwight D. Eisenhower, Winston Churchill und Nikita Chruschtschow in den 1950er-Jahren wiederholt vor einem drohenden Selbstmord der Menschheit und nahmen damit ein späteres Bonmot vorweg: Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter. Gerade deshalb trieben die nuklear aufgeplusterten Supermächte ihr Kräftemessen nicht zum Äußersten, im Unterschied zu früheren Zeiten, als wechselseitige Hochrüstung die Lunte an politische Konflikte gelegt und wiederholt große Kriege entfacht hatte. Andererseits stand diese Einsicht auf wackeligen Beinen. Man darf nicht in eine Situation kommen, so der Tenor in Ost wie West, aus Furcht vor dem Tod Selbstmord zu begehen. Oder nur die Wahl zwischen Kapitulation und Untergang zu haben. Die Angst vor der Bombe sollte unter keinen Umständen als Verängstigung verstanden werden. Denn eine Weltmacht, die mit ihren schärfsten Instrumenten nichts anzufangen weiß, besiegelt ihren Niedergang aus freien Stücken. Worauf diese Einwürfe auch immer hinausliefen, eines meinten sie zweifellos: dass es politisch von Vorteil ist, wenn andere den Krieg mehr fürchten als man selbst. Und dass, wer sich behaupten will, das Handwerk der Einschüchterung beherrschen und seinen Willen zur Gewalt glaubhaft demonstrieren muss. Rätsel über die eigenen Absichten aufgeben, Misstrauen säen und Unsicherheit ausbeuten, die Grenze zwischen Bluff und va banque unkenntlich Brüchiges Tabu Abb. 2 Nach den beiden Satelliten Sputnik 1 und 2 war Explorer 1 der erste künstliche Erdsatellit der USA. Explorer 1 wurde mit der vierstufigen Juno I, einer leichten Modifizierung der Mittelstreckenrakete Jupiter C, am 31. Januar 1958 ins All befördert. Das Foto zeigt die Rakete vor dem Start.
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