45 So unterschiedlich die Entwürfe zum Krieg der Zukunft waren, am Dogma des »Overkill« rührte am Ende nichts und niemand. Der unter John F. Kennedy vom Strategic Air Command in Washington abgesegnete Eventualplan sah den Abschuss von 3500 Atomwaffen gegen 1077 Ziele in der UdSSR vor, sofort nach Kriegsbeginn und auf einen Schlag. Selbst die viel gepriesene Flexible Response, als Mittel zur Eskalationskontrolle beworben, setzte bei einer Überschreitung der Nuklearschwelle auf die Major Attack. Demgemäß hielt man noch in den frühen 1980er-Jahren den gleichzeitigen Einsatz von 1000 Nuklearraketen gegen Ziele in der Sowjetunion für ein strategisches Minimum. Wohlgemerkt: Minimum. Wobei auf jedem Trägersystem mehrere Sprengköpfe von der zigfachen Stärke jener Bombe montiert waren, die am 6. August 1945 die japanische Großstadt Hiroshima ausradiert hatte. Hin und wieder vorgenommene Korrekturen betreffen die Modalitäten von Einsätzen, nicht das Prinzip. Im Fall der Fälle würde es auch heute keine Beschränkungen geben.7 Obwohl die USA auf der einen, die Sowjetunion und das heutige Russland auf der anderen Seite über das gleiche Vernichtungspotenzial verfügen, kann von einem »Gleichgewicht des Schreckens« oder einer »strategischen Stabilität« nicht die Rede sein. Warum? Weil ein Gutteil der Weltuntergangswaffen hüben wie drüben in ständiger Einsatzbereitschaft gehalten werden. Launch on Warning lautet die darauf zugeschnittene Einsatzdoktrin. Sollte Abb. 3 Test eines LGM-118A PeacekeeperRaketensystems auf den Marshallinseln, 7. März 1985. Die Langzeitbelichtung zeigt die Wiedereintrittsspuren von acht unabhängig zielbaren Mehrfach-Wiedereintrittskörpern, abgefeuert von einer Interkontinentalrakete. Eine Peacekeeper kann bis zu zehn nukleare Sprengköpfe tragen.
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