34 nach dessen Tod zuteilgeworden ist. Wir werden weiter unten sehen, dass die Berühmtheit Polyklets auch bei einigen anderen statuarischen Typen den Ausschlag für die überaus umfangreiche Rezeption gegeben haben muss. Ruhig stehende Athleten, die Zeitgenossen Polyklets kreiert haben, etwa der Athlet Typus Monteverde56 und ein jugendlicher Athlet, den eine Statue in der Sempergalerie vertritt (Abb. 5),57 sind in der römischen Kaiserzeit offenbar nur vergleichsweise selten kopiert worden. Die Beliebtheit des Diskusträgers kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass Bildhauer auf das polykletische Werk selbst dann zurückgegriffen haben, wenn sie gar nicht die Absicht hatten, einen Athleten zu kreieren. Thematische Veränderungen dieser Art, in deren Rahmen ein Athlet beispielsweise in einen Gott verwandelt wurde, machen als sog. Umdeutungen einen nicht unerheblichen Teil der römisch-kaiserzeitlichen Statuenproduktion aus. In der Überlieferung des Diskusträgers sind Umdeutungen als Hermes (Mercurius), als Herakles (Hercules)58 und als Dionysos (Bacchus; s. u.) bezeugt sowie solche, die sich nicht sicher benennen lassen59 und/oder einen Porträtkopf getragen haben. Zur Dresdner Sammlung gehört – in Gestalt eines Abgusses – eine bildhauerisch besonders anspruchsvolle Umdeutung (Abb. 6).60 Der Abguss geht auf eine im Jahr 1881 in der Hadriansvilla bei Tivoli gefundene Statue des Dionysos zurück,61 die über längere Zeit hinweg nicht als Umdeutung des Diskusträgers zu erkennen war, weil man ihr linkes Bein in der Erstergänzung so restauriert hatte, dass der Fuß nicht mit der ganzen Sohle auf dem Boden ruhte. Der Abguss zeigt eben diese Ergänzung. Aus der zweiten, aus der Position des Knies in zutreffender Weise abgeleiteten Ergänzung geht jedoch hervor, dass das Standmotiv mit demjenigen des Diskusträgers übereinstimmte. Ungewiss ist lediglich die Ausrichtung des rechten Fußes, der samt dem Mittelstück der Plinthe antik und zugehörig ist. Auch in der Gesamthöhe und in der Körperhöhe sowie in der Position der Hoden stimmt der Dionysos mit dem Diskusträger überein.62 Die Kopfhaltung ist überaus ähnlich und wie beim Athleten liegt der Abb. 6 Unbekannter Bildhauer: Umdeutung eines polykletischen Athleten als Bacchus Marmor, 2. Jh. n. Chr. Rom, Palazzo Massimo (hier im Dresdner Abguss: Inv. ASN 2291)
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