71 Abb. 1 Unbekannter Bildhauer: Kopf der Kopie einer polykletischen Statue Marmor, frühes 1. Jh. n. Chr. Rom, Centrale Montemartini, Inv. 1858 9 Männliche Statue Ein Kopf im Depot der Centrale Montemartini (Abb. 1), der etliche Ergänzungen im Haar und im Gesicht aufweist, konnte schon vor langer Zeit als polykletisch bestimmt werden, weil er die für alle männlichen Skulpturen dieses Bildhauers charakteristische Haaranlage aufweist.158 Oberhalb des zentralen Stirnbereichs erkennt man, leicht aus der Mitte versetzt, eine Gabelung der Strähnenkompartimente, mit welcher ein am Rand der Stirn befindliches Zangenmotiv korrespondiert, dessen Strähnen, rechts und links ungefähr auf gleicher Höhe, zur Kopfmitte hin orientiert sind. Das ausgeklügelte System aus Bewegung und Gegenbewegung wird zu den Seiten hin fortgesetzt und findet sich, wie bei den übrigen Werken Polyklets, auch auf der Kalotte und am Hinterkopf. Es geht einher mit einer Fülle an Variationen, welche die Strähnenlänge und -krümmung betreffen, sowie mit einem als kompakt erscheinenden Haarvolumen. In den neueren Forschungen zu Polyklet ist dem Kopf in der Centrale Montemartini kaum noch Beachtung zuteilgeworden, weil Zanker in ihm die »Umbildung« eines anderen Typus vermutet hat.159 Angesichts des in den römisch-kaiserzeitlichen Kopierbetrieben üblichen Umgangs mit Abgüssen polykletischer Werke ist solch eine Art der Veränderung indes gerade nicht zu erwarten. Mit einer Höhe von 24,5 cm (vom Kinn bis zum Scheitel) dürfte der Kopf vielmehr zu einer Statue gehört haben, die in der Größe dem ca. 1,84 m großen polykletischen Hermes (Kat. 5) nahegestanden hat. Eine Replik ist nicht bekannt und eine Benennung des Dargestellten in Ermangelung spezifischer Merkmale oder Attribute nicht möglich. Da das Haar einerseits einen etwas stärker bewegten Eindruck hinterlässt als dasjenige des Hermes, die Haargestaltung am Hinterkopf andererseits noch nicht so weit entwickelt ist wie diejenige des Paniskos (Kat. 13), wird man die Entstehung des nur partiell zu erschließenden Bildwerks zwischen den beiden genannten Werken ansetzen (um 430 v. Chr.).
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1