Leseprobe

Für beide Lager gilt es als ausgemacht, dass das jeweils andere Lager »faschistische« Züge aufweist. Und dass die Deutungshoheit über die Wirklichkeit für das eigene Lager errungen oder erhalten werden muss, vor allem der Freiheitsbegriff. Die Gruppen kommunizieren nicht mehr wirklich miteinander. Feindbilder werden aufgebaut und tunlichst erhalten. Seltsam hölzerne, innere Positionen werden entwickelt und diesen wird dann entgegen neuer Informationen die Treue gehalten. Kreisende Erregung in den sozialen Netzwerken leistet einer gegenseitigen Dämonisierung in beeindruckendem Ausmaß Vorschub. Mit dem anschwellenden und gegenseitig verstärkenden Geschrei aller Meinungsparteien wird auch die Kraft rationaler Konfliktbewältigung geschwächt. Gewalt oder Gewaltphantasien treten an deren Stelle. Sozialer Frieden und demokratischer Staat stehen zur Disposition. Es geht um etwas. Starre Behauptungen bauen Mauern und schließen Räume. Fragen tun das nicht. Fragen können sowohl Mauern wie auch Räume öffnen. Sie machen Hartes wieder formbar und beweglich für einen Perspektivwechsel. Deshalb ist die Kunst des Fragens das bestimmende Mittel der gesamten Installation: Vom »So ist das!« zum »Ist das so?« Die Impfbefürworter sollen nachempfinden können, was die Ängste der Impfgegner sind. Die Impfgegner sollen nachempfinden können, was die Ängste der Impfbefürworter sind. Wenn wir zu dem im öffentlichen Dialog gern besungenen »Ausgleich der Interessen« in dieser Demokratie kommen wollen, können wir gewohnte und ungewohnte Mittel zur Anwendung bringen, um unser gegenseitiges Verständnis dafür zu schärfen. Empathie ist eine Voraussetzung. ↓ 170

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