Leseprobe

q 44 Die Geschichte der Zeichensprache tet, die aufgrund ihrer Krankheit nicht sprechen konnten, und andererseits als Hilfe für Beichtväter gedacht, damit sie auch den Gehörlosen die Beichte abnehmen konnten.119 Yebra war vermutlich der erste, der in Spanien das Fingeralphabet veröffentlichte, doch sicherlich nicht derjenige, der es sich ausgedacht hatte. Auch er knüpfte an ältere Traditionen an, wie sie von den antiken Autoren überliefert worden waren. Die Mönche, die später Gebärden für ihre stille Kommunikation nutzten, konnten ebenfalls aus dieser Tradition schöpfen. Doch bis sich die Zeichensprache hinter den Klostermauern verbreitet, wird noch einige Zeit vergehen. Zu den ersten dort genutzten Möglichkeiten, Gespräche einzudämmen, gehörten die sogenannten vernehmbaren Zeichen. Vernehmbare Zeichen der ersten Mönche »Es herrsche tiefstes Schweigen, kein Flüstern, kein Laut sei dann zu hören, nur die Stimme des Lesers. Was die Brüder beim Essen und Trinken benötigen, sollen sie einander so reichen, dass keiner um etwas zu bitten braucht. Fehlt aber dennoch etwas, so bitte man darum eher mit einem vernehmbaren Zeichen als mit Worten.« (RB 38,5–7) Benedikt spricht hier von Zeichen (signum), die die Brüder im Refektorium statt der Worte verwenden sollten, wenn sie etwas zu essen oder trinken benötigten. Er nennt es ein vernehmbares Zeichen, eine Vorstufe der Zeichensprache. Diese Kommunikationsart war bereits bei den Wüstenvätern verbreitet. Auch da war der Anlass, Stille zu bewahren und dabei eine kommunikative Situation lösen zu können, sodass die Information übermittelt, die Stille aber möglichst nicht gestört wird. Sucht man nach den Anfängen der Zeichensprache bei den Mönchen, offenbart sich ziemlich bald eine konkrete Hürde – und zwar die der Terminologie. Am häufigsten findet man den Begriff signum, der allerdings bereits in der Benediktsregel in mindestens drei verschiedenen Bedeutungen verwendet wird, bezüglich derer manchmal selbst aus dem Kontext nicht ganz ersichtlich wird, welche gemeint ist. Für die Gemeinschaft der Mönche war das allerdings kein Problem, denn sie lebten ja die Regel, und der Regeltext sollte eben diese gelebte Praxis abbilden. Das Wort signum kann entweder auf einen Glockenlaut verweisen oder auf ein anderes akustisches Signal, mit dem die Mönche zusammengerufen wurden bzw. das den Anfang oder das Ende einer bestimmten Tätigkeit einläutete.120 Es kann sich um ein Zeichen handeln, mit dem der Obere das Ende eines stillen Gebets signalisierte, zum Beispiel ein leichtes Klopfen auf die hölzerne Chorbank.121 Signum kann aber auch die Unterschrift eines Mönchs, der des Schreibens mächtig war, auf der Professurkunde bedeuten.122 Des Weiteren wird in dieser Studie, sofern es nicht aus dem Kontext eindeutig hervorgeht, zwischen Sprachzeichen (signum der Zeichensprache) und Zeichen im Allgemeinen unterschieden. 119 Edition und Reprint in: Oviedo 2007. 120 RB 22,6; 43,1; 48,12. 121 RB 20,5. 122 RB 58,20.

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