q 48 Habsburgerreich spiel des Verlags von Schiller zeigt sich deutlich, wie wichtig eine möglichst umfassende Recherche zu den Verlagen ist. Während Schiller in der umfangreichen polnischen Sammlung von Marek Sosenko überwiegend mit Judaika vertreten ist, finden sich in anderen Sammlungskontexten zahlreiche Antisemitika.18 Im Bereich der Antisemitika bestand eine enge Zusammenarbeit mit einem Verlag aus Krakau/Kraków, dem Salon Malarzy Polskich (Salon polnischer Maler). Schiller beschriftete seine Karten außer Deutsch häufig zusätzlich oder ausschließlich auf Polnisch, was seine Verkaufsstrategie auf dem polnischsprachigen Markt bezeugt. Nicht nur er hatte überregionale Zusammenhänge im Habsburger Imperium im Blick, sondern insgesamt wurde bei der Ansichtskartenproduktion deutlich, dass ein gemeinsamer bukowinisch-galizischer Absatzmarkt bestand. Entgegen der imperialen Zentralisierungsthese lief dieser Absatzmarkt nicht wie die Speiche eines Wagenrads auf das imperiale Zentrum zu, sondern bildete einen eigenständigen Submarkt.19 In der bukowinischen Provinz waren auch einige wenige rumänischsprachige Geschäftsleute und Institutionen unter den lokalen Fotograf*innen und Papierhändler*innen. Im Zentrum des Kronlands waren sie hingegen nicht zu finden – dort fanden sich auch keine ukrainischen beziehungsweise ruthenischen Namen. Nur vom Ukrainischen Verlag in Seletin/Seletyn/Seletin sind Motive wie eine Ukrainische Volksidylle 1915 oder Ukrainische Volkstypen überliefert.20 Damit prägten die visuelle Erzählung der Bukowina beim Durchbruch zur Moderne deutlich diejenigen Geschäftsleute, die ethnisch-religiös den Gruppen zuzuordnen sind, welche die gesellschaftliche Elite im Kronland stellten. In Galizien-Lodomerien sind wie in der Bukowina Personen mit jüdischem Hintergrund verstärkt vertreten, was sich ebenso mit deren vorgeschalteter überproportionaler Präsenz im Buchhandel erklären lässt. In beiden Regionen handelt es sich um Personen, die sich in gewissem Ausmaß an die von anderen Ethnien und Sprachen dominierten Gepflogenheiten des jeweiligen Kronlands assimiliert hatten. Zu nennen ist in Lemberg/ Lwów (heute ukr. L’viv) der Verlag H. Altenberg, ein polnisch-jüdischer Familienbetrieb eines Herman Altenberg, in dem Frau und Kinder mitarbeiteten (und das Geschäft nach dem Tod des Gründers übernahmen), und der – wie in Galizien insgesamt auffällig – zahlreiche Gemälde auf Ansichtskarten reproduzierte.21 Vor allem ist aber der Salon Malarzy Polskich von Henryk Frist zu nennen, der entschieden der wichtigste Akteur im galizischen Postkartenwesen war. Über den renommierten Kunstpostkartenverlag Salon Malarzy Polskich ist bekannt, dass er 1885 in Krakau von Henryk Frist gegründet wurde.22 Er betrieb bereits vor der Gründung in der Altstadt eine Rahmenhandlung und verkaufte Kunst, häufig mit patriotischem Inhalt, was ihm sehr guten Absatz bescherte. Dann stieg er in das Postkartengeschäft ein, zuerst als reiner Fremdvertrieb, später auch mit Eigenproduktionen. Frist sei, so Jerzy Zieliński, traditionsverbunden und gläubig gewesen, habe im Gegensatz zu den meisten jüdischen Kaufleuten in Krakau aber keine traditionelle Kleidung und Frisur mehr getragen.23 Laut seinem Enkelsohn fühlte er sich als Pole.24 In Lemberg waren des Weiteren die Verlage von Dawid Grund (D. G. Lwów) und Stefan Wierusz Niemojowski (S. W. Niemojowski) ansässig sowie der Lwowski Salon, welcher mit der Towarszystwo Przyjacioł Sztuk Pięknych (Gesellschaft der Freunde der schönen Künste) in Krakau zusammenarbeitete.25 Jene Verlage produzierten neben den obligatorischen Stadtansichten auch Gemälde mit religiös-nationaler Symbolik sowie Gemälde und Fotografien von Volkstypen. Diese im Kontext des hiesigen Bandes interessierenden Segmente bedienten desgleichen Verlagshäuser in den kleineren Orten wie Kolomea/Kołomea (heute ukr. Kolomyja), Zakopane, Wieliczka und Stanislau/Stanisławów (heute ukr. IvanoFrankivs’k), die entsprechend ihrer Lage die Gruppen der Goralen und Huzulen inszenierten.26 Besonders zu erwähnen ist der im galizischen Kolomea beheimatete Verlag J. Orenstein. Orenstein engagierte sich in der lokalen jüdischen Gemeinde (1917 kandidierte er erfolglos für den Vorsitz) und publizierte mit seinem Verlag seit 1909 eine sehr bekannte Allgemeine Bibliothek, in der wichtige ukrainischsprachige und ukrainebezogene Werke erschienen. Die Bemühungen für sein ukrainisches Publikationsprojekt vertiefte er mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs.27 Regionalismus und Nationalismus: visuelle Erzählungen im Vergleich Die benachbarten Kronländer Galizien und die Bukowina teilten soziostrukturelle Merkmale, darunter die multiethnische Zusammensetzung der Bevölkerung und die im Vergleich schwachen Wirtschaftsdaten. Hinsichtlich ihrer politischen Ausrichtung nahmen die Re-
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