Leseprobe

Inszenierung von idyllischer Exotik im Zeitalter der Modernisierung Ethnische und berufliche Typen in Ostpreußen und Westpreußen Jakub Knyżewski und Jacek Friedrich Ostpreußen und Westpreußen wurden im Zuge der Ersten Teilung Polens 1772 gegründet und bildeten den nordöstlichsten Rand Preußens, ab 1871 des Deutschen Reichs. Infolge historischer Prozesse seit dem Mittelalter waren beide Provinzen ethnisch und religiös sehr unterschiedlich. In Ostpreußen dominierte kulturell die protestantische deutschsprachige Bevölkerung, die im nördlichen Teil Ostpreußens und in den Städten lebte. Mehrheitlich katholisch in Ostpreußen war das Ermland, das im Süden überwiegend von polnischsprachiger und im Norden von deutschsprachiger Bevölkerung bewohnt wurde. Im Süden Ostpreußens lebten vor allem polnischsprachige Protestant*innen – Masur*innen.1 In Westpreußen dominierten deutschsprachige Bewohner*innen die Städte – insbesondere Danzig (heute pl. Gdańsk) –, während die polnischsprachige Bevölkerung auf dem Land stark vertreten war, wo sie den Kern der Bauern- und Adelsschicht bildeten. Dazu kam eine niederländischsprachige Bevölkerung, die sich in der Neuzeit hauptsächlich in Danzig ansiedelte. Die ethnische Differenzierung wurde durch die religiöse Teilung überlagert, da sich die deutschsprachige und die niederländischsprachige Bevölkerung zu unterschiedlichen Formen des Protestantismus bekannten, während die polnischsprachige Bevölkerung katholischen Glaubens war. Im Gebiet westlich der Weichsel entlang der Ostseeküste lebten zudem Kaschub*innen.2 Charakteristisch für beide Provinzen war mit den Masur*innen in Ostpreußen und den Kaschub*innen in Westpreußen die Existenz ethnischer Gruppen, deren nationale Identität nicht eindeutig war.3 Der vorliegende Beitrag untersucht, wie die religiösen und ethnischen Unterschiede sich auf die Bildpostkartenproduktion in den beiden Regionen auswirkten. Da sich die Bewohner*innen Ost- und Westpreußens in der Regel äußerlich kaum von denen anderer Teile Deutschlands unterschieden, suchten die Verleger*innen nach anderen Motiven, die für ein außenstehendes Publikum attraktiv waren. Ethnische Gruppen, deren nationale Identität damals ungeklärt schien, standen daher besonders im Fokus. Obwohl bereits viele Forscher*innen Postkarten aus dem Raum Ost- und Westpreußen als Quellenmaterial heranzogen, stellten sie bisher keinen eigenständigen Forschungsgegenstand dar. Zu den Arbeiten zu Ost- und Westpreußen, die Postkarten als Quellen verwendeten, zählen die Studie von Robert Traba mit dem Titel Ostpreußen – die Konstruktion einer deutschen Provinz und Walka obrazów. Przedstawienia wobec idei w Wolnym Mieście Gdańsku (Der Kampf der Bilder. Darstellungen gegen Ideen in der freien Stadt Danzig) von einem der Autoren dieses Beitrags.4 Beide Arbeiten betrafen jedoch hauptsächlich die Zwischenkriegszeit. Zugleich ist die Geschichte der ethnischen und nationalen Gruppen, die dieses Gebiet bewohnten, recht gut erforscht. In diesem Artikel greifen wir daher mit dem Postkartenmarkt neue Fragestellungen auf, verankern diese jedoch in den neuesten Erkenntnissen von Historiker*innen Kultur- und Literaturwissenschaftler*innen, die sich mit der Geschichte Ost- und Westpreußens an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert auseinandersetzen. Wir sind uns auch bewusst, dass viele der im Artikel angesprochenen Probleme nur angedeutet werden können und weiterer eingehender Recherche bedürfen. Die wohl reichste Sammlung von Postkarten aus Ostpreußen veröffentlichte Wojciech Kujawski in einer Reihe von Alben.5 Bei der Suche nach Materialien haben wir auch die Sammlungen der Warmińsko-Mazurska Biblioteka Cyfrowa (Digitale Bibliothek Ermland und Masuren), Kujawsko-Pomorksa Biblioteka Cyfrowa (Digitale Bibliothek Kujawien-Pommern) und Pomorska Biblioteka Cyfrowa (Digitale Bibliothek Pommern) verwendet. Ebenso wurden die Sammlungen des Historischen Museums in Ełk genutzt. Zudem stellten private Sammler*innen ihre Sammlungen zur Verfügung: Marek Buze,

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