q 152 Russländisches Reich sammlung des Jehudia-Verlags bieten Publikationen von Joanna Brańska, Shalom Sabar und Marek Sosenko.8 Als Quellen dieses Beitrags dienen Postkartenbestände aus dem Stadtarchiv Warszawa, dem Museum der Stadt Warszawa, der Polnischen Nationalbibliothek in Warszawa (POLONA), den YIVO Archives in New York, dem Blavatnik Archive, der Nordostbibliothek in Lüneburg, der Nationalbibliothek Israel, der Martin-Opitz- Bibliothek in Herne, dem Altonaer Museum, den Privatsammlungen Henryk Poselts in Łódź sowie unterschiedliche Online-Auktionsplattformen. Die verschiedenen Sammlungskontexte tragen dazu bei, einen ausgewogenen Eindruck der Postkartenproduktion in den beiden Städten zu gewinnen. Als Problem stellte sich während der Recherche allerdings heraus, dass von den wenigsten Karten das Produktionsdatum bekannt ist. Der Poststempel gibt zwar Auskunft darüber, wann die Karten versandt wurden, doch müssen hier auch die Sammlungskontexte berücksichtigt werden. Recherchen in Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften und literarischen Werken ergänzen und kontextualisieren deshalb diese visuellen Quellen.9 Postkartenproduzenten in Warszawa und Łódź In Warszawa begann die Massenproduktion von Postkarten 1895, als das russländische Innenministerium Privatpersonen erlaubte, Postkarten herzustellen. Die ältesten Postkarten aus Warszawa stammen aus dem Verlag von Edward Chodowiecki.10 Ebenfalls auf dem Markt vertreten waren die Verlagshäuser von Stanisław Winiarski, Bolesław Wierzbicki, Antoni Chlebowski und der Gebrüder Rzepkowicz, um nur einige zu nennen. Zwischen 1900 und 1905 nahm die Postkartenproduktion in Warszawa zu und führte zusätzliche Elemente und Dekorationen ein, um die Karten abwechslungsreicher zu gestalten.11 Zu dieser Zeit gab es in Warszawa etwa 20 Postkartenverlage.12 Einer davon war der Verlag Jehudia. Das 1912 vergleichsweise spät gegründete Verlagshaus war eng mit der jiddischen Zeitschrift Hajnt (Heute) verbunden, die von 1908 bis 1939 veröffentlicht wurde und mit der zionistischen Bewegung sympathisierte.13 Der in der ul. Chłodna 8 ansässige Verlag war auf Schulbücher (hebräische Lehrbücher) und Kinderbücher spezialisiert. Der Betrieb legte offensichtlich Wert auf die Attraktivität seiner Produkte, denn er produzierte nicht nur die sogenannten Bilder-Bicher, das heißt Bücher mit bewegten Bildern, sondern auch eine spezielle Postkartenserie, die er als »die größte Auswahl für dekorierte Karten auf dem Markt« anpries.14 Die bekannteste Serie von Jehudia-Postkarten sind die anlässlich des Rosch-Haschana-Festes herausgegebenen Karten, die in verschiedenen Versionen – sepiafarben oder koloriert, auf glänzendem oder mattem Papier – erschienen sind. Darüber hinaus wurden Ansichten mit Genreszenen herausgegeben, die die jüdische Gemeinde in häuslicher Umgebung oder vor dem Hintergrund einer Synagoge zeigten, und es wurden auch sogenannte jüdische Berufe wie zum Beispiel Wasserträger oder Trödelhändler gezeigt. Separat bewarb der Verlag eine Serie mit Porträts bekannter Persönlichkeiten wie Theodor Herzl, Scholem Aleichem oder Shimon An-Ski. Die künstlerische Gestaltung der Postkarten übernahm Chaim Goldberg, genannt Haggai,15 der auch der Kunstredakteur von Hajnt war.16 Diese Art von Postkarten bildete eine eigene Nische auf dem Postkartenmarkt, da sie für ein jüdisches Publikum bestimmt war.17 In Łódź gaben um die Jahrhundertwende mindestens 15 Verlage Postkarten heraus.18 Als erster Verleger trat in Łódź der Fotograf Saryusz Bronisław Wilkoszewski auf den Plan. Wilkoszewski erlernte den Fotografenberuf in Warszawa und eröffnete 1878 ein Geschäft in Kielce. 1888 ließ er sich schließlich mit einem Fotoatelier in Łódź nieder, 1897 kam eine zweite Filiale in Łódź dazu. Er engagierte sich im polnischsprachigen Chor Lutnia und war Mitglied des Radfahrervereins. Seine Stadtaufnahmen waren maßgeblich für die Ikonografie der Stadt. Heute wird er deshalb als »Canaletto von Łódź« beworben.19 1896 veröffentlichte er die vermutlich erste Postkartenserie mit Stadtansichten von Łódź. Dazu kam eine Reihe von Straßenszenen, die zum Beispiel einen von Pferden gezogenen Rettungsdienst oder das Treiben auf der ul. Piotrkowska darstellten.20 Bereits 1901 starb Wilkoszewski im Alter von knapp 54 Jahren an einem Herzinfarkt.21 Der Marktführer für Warszawa wie auch Łódź war jedoch zweifellos Abraham Icchak Ostrowski, der 1895 im Alter von 21 Jahren einen Druckerei- und Lithografiebetrieb sowie eine Fabrik für Aktenordner in der ul. Piotrkowska in Łódź führte. Der Betrieb – 1905 zählte er 13 Mitarbeiter*innen – war vielseitig aufgestellt. Os
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