Rumänischer Orient, russländische Peripherie? 217 q hingegen lagen außerhalb seines vorherrschenden Betrachtungswinkels. Doch gerade für dieses Medium erweist sich die Dobrudscha als ein dankbares Untersuchungsgebiet. Bei der Herstellung und dem Vertrieb von Ansichtskarten agierten in der Dobrudscha in erster Linie regionale und nationale Verlagshäuser. Nach einer Berufsstatistik aus dem Jahr 1900 arbeiteten allein in der regionalen Metropole Constanța 14 Fotostudios und 35 Druckereien.11 Einer der großen örtlichen Postkartenproduzent*innen war Tănase Gheorghe Dabo (1849–?), der als Aromune in Mazedonien zur Welt gekommen war und sich in jungen Jahren in der Dobrudscha niedergelassen hatte. In Constanța avancierte er zu einem erfolgreichen Kaufmann, konservativen Politiker, Vorsitzenden der Societatea de Cultură și Binefacere a Românilor Macedoneni (Gesellschaft für Kultur und Wohlfahrt der Mazedorumänen) sowie zum Gesellschafter mehrerer Wirtschaftsverbände.12 Unter anderem amtierte er von 1904 bis 1907 als Vizepräsident der Handelskammer für die Bezirke Constanța und Tulcea. Ein nicht minder erfolgreicher Postkartenverleger war Grigorie M. Grigoriu (1863–?). Er stammte aus Iași, zog nach dem Schulbesuch in seiner Geburtsstadt nach Constanța und wurde dort Beamter, bis er 1888 an der belebten Piața Independenței, der heutigen Piața Ovidiu, eine Buchhandlung und Druckerei eröffnete.13 In Constanța fungierte er als Mitglied der örtlichen Handelskammer und des Stadtrats. Unter dem Label Editura Librăriei Gr. M. Grigoriu stellte er Ansichtskarten mit regionalen Motiven her. Zu weiteren Betrieben existieren nur spärliche Informationen. Bereits im Jahr 1885 gründete der Buchhändler Dimitrie Nicolaescu an der Strada Carol, dem heutigen Bulevardul Tomis, in Constanța die Tipografia Română D. Nicolaescu.14 Nicolaescu war zwischen 1890 und 1896 Präsident der Handelskammer für die Bezirke Constanța und Tulcea. Sein Verlag, der bis 1915 bestand, druckte zuletzt 13 unterschiedliche Zeitungen sowie zahlreiche Ansichtskarten.15 Weitere regionale Akteure im Ansichtskartensektor waren in Constanța die Verlagsbuchhandlung Editura Librăria Dobrogeană Anastase Vasile Dzodze & Willy Schwartzenberger mit Sitz an der Strada Ștefan cel Mare 44 sowie die Firmen Aurel J. Țeposu & Ștefan Napariu und Nicolae D. Cuși. In der Zwischenkriegszeit brachte die Editura G. T. in Constanța zahlreiche farbig gedruckte Ansichtskarten in Umlauf. Hinter diesem Kürzel verbarg sich der Verleger Grigore Trandafirescu, der in der Zwischenkriegszeit mit Farbdruckkarten dem damaligen, inzwischen gewandelten Bildgeschmack vieler Menschen entsprach. Auch an anderen Orten der Dobrudscha wurden um 1900 Ansichtskarten produziert, etwa in Tulcea in der Druckerei Dobrogea Crum Docreff an der Strada Ștefan cel Mare 18 und in der Editura Librăria Universală D. P. Maloskitzky & A. Atanasof, in Mangalia bei Emanoil J. Comino, in Medgidia in der Editura Librăria Nicolae Căpățâna sowie in Sulina in den Firmen Ioan Xenakis, Mihail Camis, N. Xanthopolu und Gheorghe Voltera. Zudem vertrieben Ansichtskartenverlage aus der Hauptstadt București in der Dobrudscha ihre Produkte. Eine der größten Firmen war dort J. Șaraga & Co., die ursprünglich 1877 in Iași von den Brüdern Samoil (1857– 1906) und Elias Șaraga (1859–1939) gegründet worden war, die aus einer jüdischen Familie in der Moldau stammten. Iancu Șaraga (1876–1946) ließ sich 1894 in București nieder und schuf 1900 einen eigenen Verlag, der sich auf Ansichtskarten und Landkarten spezialisierte.16 1914 kam der Buchverlag Șaraga & Schwartz hinzu, der 1919 die Konkurrenzfirma Socec & Co. aufkaufte und im gesamten Land Niederlassungen unterhielt. Der Hauptsitz der Firma Șaraga befand sich in der Galérie Lafayette an der Calea Victoriei. Als weitere Firma aus der rumänischen Hauptstadt war die Editura Ad. Maier & D. Stern auch in der Dobrudscha mit zahlreichen Ansichtskarten vertreten. Sie betrieb ihr Geschäftslokal im Stadtzentrum, an der Strada Lipscani 3. Gesellschafter waren Adolph Maier und David Stern, die außerdem individuell Ansichtskarten herausgaben. Während der Besatzungsjahre 1916 bis 1918 hatten auch die Soldaten und Militärbeamten der deutschen Etappenverwaltung in der Dobrudscha Bedarf an Ansichtskarten. Für sie druckte der Verlag für allgemeines Wissen in Berlin Schwarz-Weiß-Ansichtskarten im Lichtdruckverfahren, häufig mit relativ neutralen Orts- und Gebäudeaufnahmen. In der Zeit nach 1918 knüpften die rumänischen Verlage wieder an die Vorkriegszeit an und setzten zum Teil ihre bisherige Produktion fort.
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