Leseprobe

Einleitung 7 q das Erkenntnisinteresse des vorliegenden Bandes ist dabei die Frage, welche Personen und Personengruppen auf Bildpostkarten zu sehen waren, und wie Personen über Bild, Text beziehungsweise Bild-Text-Kombination ethnisch codiert wurden. Wer wurde wie gezeigt, und wer blieb unsichtbar? Damit gehen Fragen nach der ethnischen und nationalen Markierung von Räumen auf Postkarten einher. Wie wurden Regionen und Städte über die Personendarstellungen auf Postkarten erzählt? Welche Narrative ließen sich verkaufen? Mit den Produzent*innen der Bilder richten wir den Blick auf eine Akteur*innengruppe, die in den ersten Jahrzehnten der Visual History eine untergeordnete Rolle spielte.16 In jüngerer Zeit hat sich die historische Forschung zwar verstärkt Bildmedien und im Speziellen auch Postkarten zugewandt. Insbesondere die visuelle Konstruktion von Alterität durch Fotografien und Postkarten – sei es im kolonialen oder nationalen Kontext – aus Perspektive der Gesellschaften des Deutschen Reichs wie der Habsburgermonarchie ist dabei beforscht worden.17 Wie Malte Zierenberg jedoch bereits 2010 kritisierte, blieb dabei die materielle Dimension der Bildmedienproduktion weitgehend unberücksichtigt.18 Dieses Desiderat hängt mit der eher dürftigen Quellenlage zusammen. Als privatwirtschaftliche Unternehmen mussten die Verlage keine Materialien archivieren, sodass Einblicke in interne Überlegungen und Bilanzen der Klein- und Kleinstbetriebe kaum möglich sind.19 Bislang fehlt es an grundlegenden Studien über die Akteur*innen der Bildmedienproduktion, also etwa zum Druck- und Verlagswesen. Wer waren die Bildmedienproduzent*innen in den verschiedenen Städten und Regionen des östlichen Europa? Wo verorteten diese sich politisch und innerhalb welcher ökonomischer Netzwerke agierten sie? Wie hing ihre sozioökonomische und (ethno-)politische Position mit den produzierten Bilderwelten zusammen? Diesen Fragen geht der Band zeitlich ab den 1890er Jahren nach, in denen die Bildpostkartenproduktion an Fahrt gewann, zugleich eine Phase, in der politische Ideen des Nationalismus stärker propagiert wurden. Das Ende des Ersten Weltkriegs ist – mit Ausnahmen – der Abb. 1 Bildpostkarten mit sogenannten Volkstypen formten Vorstellungen einer nach Völkern geordneten Welt – Gruss aus der Bukowina. Czernowitz: Leon König, 1899. Frau Röllig an Herrn Friedrich Wilh. Röllig in Wien, 1899.

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