Leseprobe

q 8  Endpunkt der meisten Beiträge. Dann zerfielen die Imperien, Nationalstaaten traten an ihre Stelle. Auch nach 1918 wurden weiterhin politische Ideen über Bildpostkarten verkauft, Deutungen der Nation und ihrer Bevölkerungen über die kleinen Karten präsentiert. Jedoch sank deren Gebrauch. Vereinte die Bildpostkarte in den Jahrzehnten um 1900 Qualitäten mehrerer (noch nicht massenhaft verbreiteter) Medien in sich, etwa die visuelle Prägnanz eines Plakats und die Geschwindigkeit des Telefons, setzten Letztere sich in der Zwischenkriegszeit durch. Der geografische Fokus des Bandes liegt auf den östlichen und südöstlichen Kronländern des Habsburgerreichs, den östlichen Provinzen des Deutschen Kaiserreichs sowie den westlichen Gouvernements des Russländischen Reichs. Die einzelnen Beiträge untersuchen teilweise einzelne, teilweise mehrere dieser Verwaltungseinheiten. Im Fall Preußisch-Litauens steht eine historische Region im Fokus, die nur Teile der administrativen Provinzen umfasste. Der Beitrag zu Bessarabien und der Dobrudscha löst sich zudem in Teilen von den drei Imperien und bietet einen Einblick in das Postkartenschaffen im Königreich Rumänien. Diese Unterschiede hängen mit den Forschungsschwerpunkten der Autor*innen zusammen. Während wir für manche Gebiete Beiträger*innen fanden, war dies für andere trotz intensiver Bemühungen nicht möglich, sodass in unserem Band deutliche geografische Leerstellen bleiben, die von zukünftiger Forschung gefüllt werden müssen. Die verwendeten Ortsbezeichnungen orientieren sich grundsätzlich an den damals verwendeten offiziellen Verwaltungsbegriffen in den jeweiligen Amtssprachen, außer es existieren im Deutschen gebräuchliche Namen.20 Dieses Vorgehen ist in historiografischen Texten verbreitet, allerdings hallt die imperiale Überformung der Region darin auf mehrfache Weise nach. Die Autor*innen sind deshalb mitunter von der Regel abgewichen. Bei der Zitation der Postkarten werden die von den jeweiligen Verlagen gewählten Bezeichnungen der Erscheinungsorte angegeben. Akteur*innen: Wer produzierte Bilder von »Völkern« und warum? Als erste von sieben zentralen Erkenntnissen des vorliegenden Bandes hinsichtlich der Akteur*innen lässt sich festhalten, dass regionale Produzent*innen die Postkartenproduktion in den und über die jeweiligen Regionen dominierten. Nachdem zwischen etwa 1895 und 1900 zunächst überregionale Verlagshäuser die meisten Ansichten von Regionen und ihren Personen prägten, veränderte sich das Verhältnis anschließend. Die wenigsten Autor*innen beobachten im Zuge dieser Regionalisierung der Produktionsstrukturen jedoch markante Unterschiede hinsichtlich der Postkarteninhalte. Der Markt lebte insgesamt vom schnellen Abkupfern anderer Ideen. Trotz Urheberrechtsschutz wanderten Motive und Arrangements zwischen Firmen in den Regionen und über deren Grenzen hinweg. Bei der Produktion haben wir es – zweitens – mit einer Vielzahl von unternehmerischen Modellen zu tun. Diese reichten von Einzelunternehmen, die von Buchhändler*innen oder Fotograf*innen betrieben wurden, bis zu als »Ansichtskartenfabriken«21 bezeichneten KleinAbb. 2 Ruthenisches Bauernmädchen. Ruska Dziewczyna. Czernowitz: E. v. Schiller, 1899.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1